März 2024 - Ausgabe 257
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Klaus von Maren Wagener |
Wir alle kennen diese Situation: In unserem direkten Umfeld, bei der Arbeit, in der Schlange im Supermarkt oder im Lieblingscafé gibt es Menschen, denen man in mehr oder weniger schöner Regelmäßigkeit immer wieder begegnet. Denn diese Menschen haben ganz ähnliche Rituale wie wir selber und bewegen sich im selben Lebensraum. Man kennt ihre Namen nicht, aber solange sie da sind, scheint unsere kleine Welt in Ordnung. Ab und an fragt sich das auf Wieder-holung gepolte Bewusstsein, wo denn eigentlich dieser oder jene abge-blieben ist. Denn plötzlich und wie aus dem Nichts, fällt einem auf, dass man diesen Mitmenschen schon lange nicht mehr gesehen hat. Vielleicht hat jemand von Ihnen bereits Klaus Wesener vermisst. Ein Mensch aus unserer Mitte, der seit vielen Jahren im Bergmannkiez lebte und arbeitete. Klaus Wesener hatte seine Rituale, trank jeden Morgen seinen Cappuccino beim Italiener in der Halle, liebte den Döner - extra scharf, bitte - vom Imbiss in der Zossener Straße und arbeitete als IT-Fachmann für eine kleine Agentur im Kiez, deren Mitarbeitende ihm über die vielen Jahre zur Familie geworden war. Kaum jemand wird ihn übersehen haben in all seiner eindrücklichen Präsenz. Glatze, Vollbart, die Arme kunstvoll tätowiert, dunkle Kleidung - meist Kapuzenpulli - und in den letzten Jahren so gut wie ständig E-Zigarette paffend. Mit seinem Longboard schien er regelerecht verwachsen gewesen zu sein. Sobald das Wetter es zuließ, war er auf dem Tempelhofer Feld anzutreffen. Alternative Mobilität war nur eine seiner Leidenschaften. Musik eine andere. Müsste ich einen Song nennen, der in nur einem Atemzug mit Klaus genannt wird, dann wäre es wahrscheinlich Creep von Radiohead. Aber dieser Mann war nicht nur eine echte Erscheinung. Er war auch ein guter Mensch, mitfühlend und engagiert. Weihnachten zum Beispiel teilte er regelmäßig zusammen mit anderen Freiwilligen Essen an Wohnungslose aus. Und er war ein Freund. Ein verdammt guter sogar, für viele von uns! Jetzt fehlt er. Eines Abends Ende Oktober, er hatte mit Freunden zusammen das ersehnte Wochenende eingeläutet, hat ihn auf dem Heimweg ein Herzinfarkt auf das Pflaster sinken lassen. Er hat das Bewusstsein nicht wiedererlangt und starb friedlich zwei Tage vor Weihnachten. Und wenn Sie jetzt am Tresen des Italieners in der Halle sitzen und denken, da fehlt doch jemand, dann wissen Sie, dass es stimmt! Klaus Wesener fehlt. Uns. Für immer. |