Kreuzberger Chronik
März 2024 - Ausgabe 257

Mühlenhaupts Erinnerungen

Wir fanden eine richtige Wohnung


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von Kurt Mühlenhaupt

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Sie befand sich im gleichen Haus, in dem Willi seinen Keller hatte. (...) So sind wir dann in der Blücherstraße 13 gelandet. (...) Auch die Tauben der Heilig Kreuz-Kirche waren umgezogen, jedenfalls hatten wir das Gefühl. Die einen sehen sie gern und mästen sie, die anderen mögen sie nicht, und für sie sind sie höchstens was für den Kochtopf. Hier kann man erkennen, wie weit die Menschen in ihrer Art unmenschlich sein können.

Nun ist es so, dass Tauben die Fensterbretter vollscheißen. Es ist sogar sehr schön zu wissen, daß sie in dieser Beziehung keine Ausnahmen machen. Sie schissen auch der Beizen auf die Bretter, was mich ungemein freute. Sie war es, die so gehässig zu mir gewesen war, als wir in das Haus einzogen.

An dem Tag regnete es gerade, und darum konnte ich meine Möbel nicht auf dem Hof abstellen. Ich schleppte sie in den Durchgang, wo alle durch mußten, auch die Beizen. Die blieb stehen, pickte mit ihrem Regenschirm auf meinen Möbeln herum und behauptete plötzlich, ich hätte Wanzen. Dabei hatte ich zu der Zeit keine mehr.

»Woher wissen Sie denn daß ich Wanzen habe?«, fragte ich. »Na, an den schwarzen Punkten auf ihren Matratzen, mein Herr.«

»Und die sollen von meinen Wanzen herrühren? Nein«, sagte ich, »die Punkte sind auf Ihrer Brille!«

Sie nahm ihre Brille ab und sah nun keine Wanzen mehr. Aber dafür bohrte sie weiter mit ihrer Nase in meinen Sachen. »Sie riechen aber nach Mäusen!«

Was sollte ich dazu sagen? Die Matratze brachte ich mit aus der Trödelhandlung, und da hatte ich Mäuse. Aber Mäuse sind doch keine Wanzen. Ich gab mich geschlagen. Es hatte keinen Zweck, sich mit rechthaberischen Menschen rumzustreiten. Das lohnte sich nicht. Also sagte ich: »Fünfundvierzig hatte ich Wanzen.«

»Na also«, sagte sie, »die wird man doch nicht los. Wenn sie Fünfundvierzig Wanzen hatten, dann sind es jetzt Tausende. Ne Wanze wird über Nacht Urgroßmutter. Haben Sie denn ihre Wanzen jezählt?« Ich war der Verzweiflung nahe und brüllte sie an: »Fünfundvierzig hatte ich Wanzen und die sind längst tot.«

»Da sind sie im Irrtum, eine Wanze geht nicht so schnell kaputt. Die kann fünfzehn Jahre ohne Nahrung leben. »Seh´n Se«, sagte ich, »und nu überlegen Se mal, wie lange der Krieg aus ist! Genau 16 Jahre sind das jetzt her. Wir schreiben das Jahr Einundsechzig!«

Wir trennten uns und ich machte, daß ich mit meinen Möbeln vom Flur kam. Aber verjessen hab ick nich, wie jemein se war. Und weil ich mich so geärgert hatte, entwarf ich das Blatt Hamse Wanzen.

So ist es mir ergangen, als ich in die 13 einzog.


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