Kreuzberger Chronik
Dez. 2023/ 2024 - Ausgabe 255

Frisch von der Leinwand

Barbie in der Wirklichkeit


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von Anna Prinzinger

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Von Rosarot bis Grau
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Die Barbie-Puppe ist ein Weltstar, und es wunderte niemanden, dass der Film, noch bevor ihn jemand gesehen hatte, schon in aller Munde gewesen war.

Hätte der Barbie-Film am 1. Januar Premiere gehabt, dann wäre man auf dem Weg zum Yorck-Kino in der Yorckstraße am Rewe-Markt vorübergekommen, wo traditionell jedes Jahr zu Silvester das Schild über dem Eingang mit Böllern weggesprengt wird. Wenige Meter weiter hätte das pinkfarbene Plakat mit der Kinoreklame gestanden. Ein hübscher Kontrast!

Als ich Barbie auf dem Plakat sah, konnte ich nicht anders, als mir den vielbesprochenen Film anzusehen. Obwohl ich mir nicht wirklich vorstellen konnte, wie die Regisseurin die berühmteste Puppe der Welt darstellen und in was für eine Geschichte sie die Figur packen würde.

Gerwigs Film beginnt in Barbieland, einer rosaroten Welt, in der sämtliche Barbies und Kens der Spielzeugfirma Mattel in vollkommener Harmonie leben und in der die Barbies das Zepter in der Hand haben. Doch eines Morgens ist alles anders, Barbie hat die Spielzeugidylle verlassen und muss sich in der realen Welt zurechtfinden.

Greta Gerwig begleitet Barbie auf ihrem Weg von der Fiktion in die Wirklichkeit. Und sie setzt dabei die beiden Welten in starken Kontrast zueinander. Die Welt, in der Barbie lebte und in der sich alles um sie drehte, wo die Kens nur Nebensache waren, ist plötzlich Vergangenheit. Kaum sind Barbie und Ken, der ihr heimlich gefolgt ist, in der realen Welt angekommen, wird klar, dass hier die Männer regieren. Und während Barbie von der ihr unbekannten Weltordnung aus dem Konzept gebracht wird, hat Ken endlich das Gefühl, von Bedeutung zu sein.

Obwohl Barbie in ihrem Kinoauftritt alle Altersklassen abholt, obwohl sowohl Eltern, die selbst noch mit Barbies spielten, als auch deren Kinder samt Großeltern im Kino sitzen, waren meine Freunde und ich die einzigen, die mit einem Bier in der Hand zusahen. Aber wir waren nicht die einzigen, die laut gelacht haben.

Obwohl Gerwig hinter Komik und übertriebenen Klischees real existierende Probleme zeigt. Doch das augenöffnende feministische Meisterwerk des Jahres, von dem gesprochen wurde, ist der Film nicht. Als Frau habe ich mich mit diesen Themen schon öfter auseinandergesetzt, andererseits erreicht der Film ein breiter gefächertes Publikum.

Mit einem Budget von angeblich 150 Millionen US Dollar blieb der Vorwurf nicht aus, Barbie sei eine gigantische Werbeaktion für ein aussterbendes Produkt. Ich werde mir dennoch keine Barbie Puppe kaufen. Aber die knapp zwei Stunden im Kino habe ich genossen. Vielleicht hätte ich sie im Januar noch etwas mehr genossen, wenn nach all dem Rosarot vor dem Rewe-Markt das Grau der Böller dominiert hätte.


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