September 2022 - Ausgabe 242
Strassen, Häuser, Höfe
Hasenheide 74-76b von Gudrun Winter |
Die Hasenheide im 20. Jahrhundert: eine vielgenutzte, vierspurige Hauptverkehrsader ohne besonderen Charme, die vom pragmatischen Karstadt-Wiederaufbau bis zur rußgeschwärzten Kirche am Südstern führte. Doch all das ist fast vergessen. Nur an Eduard Winter mit seiner Volkswagen-Vertretung können sich die Kreuzberger noch erinnern, den Eigentümer der Kriegsbrache. Und daran, dass ein Spaziergänger auf der Fichtestraße, wenn er den Blick nach Süden richtete, der hübschen Illusion erlag, die kleine Straße führe geradewegs in Wald und Feld. Jetzt fällt der Blick auf einen Betonklotz. Bei der Hasenheide Nr. 74-76b handelt es sich um einen gewaltigen, Bäume und Traufhöhe sämtlicher Nachbarhäuser überragenden Neubau, eine von Senat und Bezirk lässig durchgewunkene Grenz- und womöglich auch Gesetzüberschreitung. Der Monolith an der Hasenheide ist eine Metapher und ein Mahnmal der Gentrifzierung geworden. Wer in diesem Haus wohnen möchte, der muss sich an die Bewocon, die Berliner Wohnbauconsult GmbH wenden, einen der größten, erfolgreichsten und umstrittensten Berliner Immobilienmakler. Der Gärtner schwärmt: »Es gibt da kleine Wohnungen schon für 900 Euro, aber natürlich auch andere, da kostet der Meter...« - der Mann streckt den Arm bis zum Himmel hinauf. Tatsächlich gibt es kleine und bezahlbare Behausungen mit Blick auf die Straße, doch die größeren Wohnungen zum Park hinaus, so ein Vertreter der Immobilienfirma, »sind natürlich etwas teurer«. Das Mieterecho schreibt von einer Durchschnittsmiete von 20 Euro, doch aus dem Hause Bewecon hört man, es könne auch »schon mal deutlich darüber liegen.« Eigentumswohnungen gibt es keine am Parkrand. Das hätte Proteste provoziert. Es ist aber auch gar nicht nötig, zu verkaufen, wenn Jahresmieten bezahlt werden, für die man vor der Invasion der Investoren fast schon eine Wohnung hätte kaufen können. Das sollte die Politik zum Nachdenken, wenn nicht zum Handeln bewegen. • |