Oktober 2021 - Ausgabe 233
Mühlenhaupts Erinnerungen
Der Professor aus Stuttgart von Kurt Mühlenhaupt |
Der Professor aus Stuttgart Nichts davon traf zu. Er saß bei mir. Wir redeten über Wein. Da war er für Deutschland der Fachmann. In dieser Funktion bereiste er aller Herren Länder. Er brachte immer einen besonderen Tropfen mit, den wir probierten. Wenn wir dann zu viel getrunken hatten, war ich es, der alles besser wußte. Aber das hat wohl ein guter Tropfen so an sich. »Ich werde in Zukunft zwanzigprozentigen Wein keltern«, sagte ich. »Bei fünfzehn Prozent stirbt die Hefe von selbst«, erwiderte er. »Das weiß ich, aber ich entziehe dem Wein das Wasser mit Tonscherben.« Er wurde nachdenklich und unruhig, griff sich seine Graphik und verschwand. Der Pfoffessor war schon immer ein sparsamer Mann, er ist nie mit dem Taxi gefahren. Wenn ich ihn darauf ansprach, sagte er: »Dafür kann ich mir schon eine Graphik mehr kaufen.« Das Erstaunliche war, daß er es auch tat. Damals verschwand er zwar, aber es dauerte nicht lange und er hatte sich von Neuem angekündigt. Vielleicht ließ ihn die Sache mit dem Hochprozentigen keine Ruhe. Zur verabredeten Zeit erschien er nicht und ich wartete vergebens. Aber dann nahm alles einen ganz anderen Weg. Wir werden es sehen. Wenn ich ihn nach seinen Kollegen fragte, sagte er: »Die sitzen im Tönneken.« Einmal war es ganz ulkig. Er hatte sich angekündigt, um mich zu besuchen. Vielleicht wollte er auch was kaufen. Aber es kam ganz anders. Deshalb muß ich euch erstmal die Geschichte von der Sauerkrautkur erzählen. Entnommen aus Kurt Mühlenhaupt, Rund um den Chamissoplatz, 1969 -1975 |