März 2021 - Ausgabe 227
Reportagen, Gespräche, Interviews
Hochhäuser im Park von Michael Unfried |
Es ist nicht nur die letzte, sondern mit sieben Bürotürmen auch die größte Baustelle und die hässlichste Baustelle am Park. Ein Blick auf die neue »Urbane Mitte Süd«. Norbert Rheinlaender kämpft seit den Siebzigerjahren um den Erhalt einer der letzten großen Freiflächen Berlins. Der Stadtplaner begann mit dem Kampf gegen die CDU und deren Träume von einer Autobahn, er trat nach dem Fall der Mauer mit den Grünen gegen die Immobilienfirma der Deutschen Bahn an und kämpft heute gegen die Grünen und die COPRO, eine Immobiliengesellschaft, die das letzte, noch unbebaute Randgrundstück am Gleisdreieckpark gekauft hat. Ohne Rheinlaenders Hartnäckigkeit sähe der »Gleisi«, wie ihn seine Fans nennen, heute anders aus. Rheinlaender kämpfte um jeden Baum und um jeden Meter jener Stadtwildins, die ein halbes Jahrhundert brauchte, um zwischen den Geleisen des im Krieg zerstörten Anhalterbahnhofs aufzuwachsen. Doch während das grüne Herz im Park gerettet wurde, pokerten Immobiliengesellschaften um die immer lukrativer werdenden Grundstücke mit Blick aufs Grüne. Der Park wurde zum Innenhof. Im Süden entstand auf 30.000 Quadratmetern der Möckernkiez mit 14 Wohnhäusern und Privatzugängen zum Park, im Nordwesten taucht die 200 Meter lange Glas-Beton-Front der Stadthäuser an der Flottwellstaße den Park in den Schatten, und auch im Nordosten, gegenüber dem nur noch fünfzig Meter breiten Grünstreifen, sind längst Wohnhäuser mit Balkonen zum Park entstanden. Dort liegen, um die U-Bahnstation Gleisdreieck drappiert, die letzten noch unbebauten 32.000 Quadratmeter, auf denen die COPRO sieben Zementtürme mit etwa 120.000 Quadratmetern Bürofläche errichten möchte. Das Ganze nennt sich nicht gerade bescheiden Urbane Mitte Süd. Natürlich reichte auch Norbert Rheinlaender, inzwischen im Vorstand der Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck e. V., Einspruch gegen die Planungen ein und schrieb an das Stadtentwicklungsamt Kreuzberg, dass der Bau »die Konzeption des Parks stark einengt, ihn optisch zum dekorativen Bettvorleger der angrenzenden Hochhausbebauung degradiert und somit den Erholungswert der öffentlichen Grünanlagen gravierend entwertet.« Seit mehr als fünf Jahren sind die Pläne für die bis zu 90 Meter hohen Bürotürme bekannt, doch ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit konnten die Monolithen bislang nicht vordringen. Das ist kein Zufall, sondern System. Auch Sabina Voge, die in der Nähe des Parks wohnt und für seinen Erhalt kämpft, hat erst jetzt von den Bauplänen erfahren. Um sich zu informieren, nahm sie im Rathaus Einsicht in die Akten, die, so die Vorschrift, für zwei Wochen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden müssen. Sie stieß auf »zwei riesige Aktenordner in einer schäbigen Abstell- und Rumpelkammer. Ich habe mich geschämt für Berlin. Als ich dann mal nachfragte, warum man die Bevölkerung nicht besser aufkläre, bekam ich zur Antwort: Die Berliner seien durch eine kleine Anzeige im Tagesspiegel zur Akteneinsicht eingeladen worden.« Tagesspiegel, Lokalpolitik und Investor scheinen ohnehin gut miteinander bekannt. Auf einer vom Wirtschaftsclub des Tagesspiegel und Berlin Partner organisierten Diskussionsveranstaltung im preisgekrönten Holzbungalow der Entwickler standen Immobilienhändler und Chefredakteur gemeinsam auf dem Podium. Über die Veranstaltung, bei der eine »aktive Teilnahme« der Bürger »nicht erwünscht« war, berichtete die COPRO anschließend in einer ganzseitigen Anzeige, die einem redaktionellen Beitrag des Hauptstadtblattes täuschend ähnlich sah. COPRO-Unternehmensberater Marcus Vogel gab zum Besten, die Berliner müssten endlich einmal »lernen, ein bisschen leidensfähiger zu werden.« Andreas Schulten, Generalbevollmächtigter der bulwiengesa AG an der Seite der COPRO, ergänzte: »Städte entwickeln sich nun mal weiter, Immobilienpreise und Mieten richten sich dabei nach der Nachfrage. Metropolen wie Paris und London kennen das schon lange und gehen damit gelassener um.« Natürlich ärgert sich dieser Schulten auch über die ständigen Diskussionen wegen der Flächennutzung »wie zum Beispiel beim Tempelhofer Feld«, und spricht von veralteten Ideologien: »Wir müssen aber die heutige Stadtentwicklung für die Generation nach uns gestalten.« – Sic! Die Projektgegner haben gute Argumente, denn gleich an mehreren Stellen bewegen sich die Baupläne am Rand der Legalität. Doch die zivilen Parkwächter sind schwach. Zu dritt verteilen sie Flugblätter mit Informationen an Parkbesucher oder hängen Plakate an die Zäune, die sofort wieder entfernt werden. Auch Architekten haben Freunde. 1600 Zettel haben Gegner verteilt und mit den Bürgern gesprochen, »die meisten hatten keine Ahnung von den Bauplänen, waren dann aber sofort auf unserer Seite. Nur so ein paar alte, weiße Männer blieben uneinsichtig.«, sagt Monika Wagner, die nicht verstehen kann, »warum es nicht längst einen Masterplan für diese Stadt gibt mit verbindlichen Parametern für jeden, der in Berlin bauen möchte. Wir haben nicht mehr viel Zeit, wenn wir diese Stadt noch retten wollen.« 7000 Unterschriften haben sie und ihre Mitstreiter per Online-Petition in zwei Wochen gesammelt, um die exorbitante Höhe der Neubauten zu verringern. Sie werden sie mitnehmen, wenn sie bei einem Termin im Stadtentwicklungsausschuss demnächst ihre Kritik vorbringen dürfen. Matthias Bauer, der 2009 den Gleisdreieckblog ins Leben rief und mit der Partei der Linken für den Einzug von Kulturstätten in das historische Ringbahnviadukt am Park eintrat, hofft auf den 3. März. Ob sie dort wirklich etwas bewirken können, dürfte er seit einem Treffen mit Mitgliedern der COPRO bezweifeln. »Geben Sie uns doch das Einverständnis zum Abriss der Bögen, dann lasse ich zwei für Sie stehen!«, sagte sein Gesprächspartner, reichte ihm die Hand und drückte zu. Es muss ein fester Händedruck gewesen sein, noch heute kneift der Blogger die Mundwinkel zusammen. »Jetzt lassen Sie doch endlich meine Hand los!«, sagte Bauer und zog Hand und Einverständnis zurück. Er glaubte, das sei deutlich genug gewesen, doch wenige Wochen später rollten die Bagger an. »Die Bögen mussten weg, die waren zu massiv, und da soll doch die Tiefgarage hin!« Auch Rheinlaenders Optimismus ist begrenzt. Aber er weiß, wie weit man kommt mit Geduld. Er wird dabei sein am 3. März und gegen die »500 Meter lange Mauer« protestieren und vom »Erlebnis der Ohnmacht« der Parkbesucher zwischen derart hohen Wänden sprechen. Doch sollte der Baustadtrat trotz der vielen Bedenken und der berechtigten Kritik bei seiner Position bleiben und der COPRO grünes Licht geben für diese Urbane Mitte Süd, dann könnte schon bald der Bauantrag gestellt werden. Und wenn sich dann noch immer kein Widerstand formieren würde, wenn dann noch immer keine Nachricht von den Bauplänen am Parkrand die breite Öffentlichkeit erreicht, dann könnte es sein, dass schon Ende dieses Jahres das papierne Fundament für Bürotürme gelegt wird, die so hoch sein werden wie die Wolkenkratzer des Potsdamer Platzes. • |