Juni 2021 - Ausgabe 230
Literatur
Das Geschäftsmodell von Hans Rombach |
Juli 2019. Ein Spaziergang an einem sonnigen, freundlichen Tag.Habe meinen Antrag auf Akteneinsicht bei der Stasi -Behörde abgegeben, nun treibt´s mich durch die Straßen. Ich gleite in Gedanken versunken über den Alexanderplatz. An einem der Eingänge des S-Bahnhofs Alexanderplatz werde ich zweier Jungs gegenwärtig, lässig sitzen sie in der Sonne, zwei selbstgemalte Schilder neben sich aufgestellt. Darauf steht in großen Buchstaben: FOR WEED. Ich bleibe überwältigt stehen, da haben zwei junge Menschen, den erklärten Willen, Geld für Weizen einzufordern, kein Geld für Essen, Unterkunft, Alkohol oder andere Drogen, nein Weizen! Was für ein zutiefst humanistischer Ansatz, Weizen für die Welt, Hunger bekämpfen, über jede Grenze hinweg, ob ethnisch oder politisch, und das mit nur zwei Worten, für jeden sofort klar: FOR WEED - Für Weizen! Es erstaunt mich immer wieder, wie einfachste Gemüter Erstaunliches leisten können, wenn sie plötzlich einer Ungerechtigkeit gegenwärtig werden. Das lässt mich doch wieder an die Menschheit glauben! Mit Tränen in den Augen trete ich näher und bitte darum, ein Foto machen zu dürfen, sie und ihre zwei wunderbaren Plakate, so schlicht, schön, ehrlich! Die beiden willigen sofort ein, fordern kein Geld, eben echte Idealisten. Das Foto ist erstellt, nun drängt es mich: a) eine größere Geldspende auf den Boden des dargereichten Bechers schweben zu lassen, b) den idealistischen, aber ungeschickten Fremdsprachlern meine Hilfe angedeihen zu lassen, um den wirklich guten Ansatz auch in eine verständliche Form und damit auf den richtigen Weg zu bringen. Das ist das mindeste was ich leisten kann, meine Sprachkenntnisse für diese große Sache einbringen! Ich weise sie also vorsichtig darauf hin, dass es eine gute Idee sei, Weizen in englischer Sprache auf die Schilder zu schreiben, das erhöhe natürlich das Potential der möglichen Geldgeber um ein erhebliches. Aber - man möge mir bitte verzeihen: Weizen werde im Englischen W-h-e-a-t geschrieben, und nicht W-e-e-d ! Schweigen auf der Gegenseite. Verständnislose Blicke. Dann ein Lachanfall: Was ich denn meinen würde mit Weizen? Ob sie jetzt vielleicht Weizen rauchen sollten? »Weed, so wie´s da steht, ist Gras!« Mir schwant Fürchterliches: Gras, Haschisch, Dope! Meine erhebliche Spende traue ich mich nicht zurückzufordern, ich betrachte es als Lehrgeld. Ich finde, wir haben schon sehr schöne, treffliche Begriffe im Deutschen. • aus den noch unveröffentlichen Berliner Notizen von Hans Rombach, 2019 |