April 2021 - Ausgabe 228
Herr D.
Der Herr D. und die Einbahnstraßen von Hans W. Korfmann |
oder Warum der Herr D. den Kopf schüttelt Der Herr D. fand Post im Briefkasten, diesmal nicht vom Bürgermeister, der ihn aufforderte, eine Maske zu tragen, sondern von der Bürgermeisterin, die ihn über die neue Straßenverkehrsordnung vor seiner Haustür aufklären wollte. Die Autos, die bislang von links nach rechts fuhren, sollten künftig von rechts nach links fahren, nicht den Berg hinunter, sondern den Berg hinauf. Er steckte den Flyer in die Tasche und trat auf die Straße, da stieß er auf einen alten Bekannten, den mit dem Zopf und den Jeans. »Haben Sie auch schon Post bekommen?«, fragte ihn der Bekannte zur Begrüßung. »Sie meinen den Brief von der Bürgermeisterin?«- »Haben Sie sich das mal genauer angesehen?«, grinste er. Das hatte der Herr D. noch nicht, aber er war froh, nun diesen Bekannten getroffen zu haben, denn der Plan glich auf den ersten Blick einem Irrgarten aus Einbahnstraßen. Der Bekannte jedoch wusste genau Bescheid. Er sagte: »Das ist doch alles ein totaler Schwachsinn. Das machen die nur, um die Autofahrer zu ärgern. Und haben Sie die Springbrunnen gesehen? Sie müssen mal ganz genau hingucken, da sind so winzige, hellblaue Fontänen im Plan eingezeichnet. Eine ist für den Brunnen am Marheinekeplatz, die beiden anderen kommen an die Ecken Bergmannstraße/Nostitzstraße und Arndtstraße/Schenkendorfstraße.« Der Herr D. schaute sich den Plan noch einmal an. In der Legende waren die Springbrunnen nicht zu finden, da haben sie sie erst mal weggelassen. Wahrscheinlich fürchteten sie den Spott der Kreuzberger: »Springbrunnen auf den Straßen, gehts noch?« Da traf er den nächsten Nachbarn, den mit dem Gamsbart und der grünen Hose. Der wusste auch immer ganz gut Bescheid. »Zugegeben, der Plan ist ein bisschen umständlich. Aber Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, Herr D. Hier unten, dieses kleine Stück Bergmannstraße zwischen Postgebäude und Heimstraße, ist Fußgänger-bereich. Da kommen die also gar nicht rein mit den Autos. In die Heimstraße kommt man nur noch über die Seitenstraßen, nicht mehr über die Bergmannstraße. Und in trockenen Tüchern ist das auch noch nicht. Unser Hauptziel war ja immer die Sperrung der Zossener Straße, um den Durchgangsverkehr einzubremsen.« »Warum hat man dann eigentlich so viel Geld in die Friesenstraße gesteckt und die komplett umgebaut? Und Asphalt über das schöne Kopfsteinpflaster gegossen, Straßeninseln gebaut, alles nur, damit es leiser wird. Und kaum ein Jahr später gibt es gar keinen Verkehr mehr, da wird die Straße komplett gesperrt! Da hätte das schöne Pflaster ja auch liegen bleiben können!« »Naja, damals waren die Planungen eben noch nicht so weit fortgeschritten wie heute.« Der Herr D. schüttelte den Kopf. • |