Kreuzberger Chronik
April 2021 - Ausgabe 228

Hausverbot

Curry in der Bergmann


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von Michael Unfried

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Es war mutig, ausgerechnet in der Bergmannstraße, der Vorzeigestraße multikultureller Alternativkultur, zwischen Indern, Thailändern und Italienern eine Currywurstbude zu eröffnen. Zumal es nicht weit ist bis zum Mehringdamm mit der berühmtesten Currywurst Berlins, wo Politiker, Schauspieler und Musiker andächtig vor ihren Würsten und Pommes mit Ketchup und Majo stehen, als trüge die Bude einen Michelin-Stern.

Doch die Curry-Dependance war ein Erfolg. Selbst eingefleischte Veganer, von denen es immer mehr gibt in Kreuzberg, sah man nach Einbruch der Dunkelheit vor dem Currystand neben der Pagode. Denn der neue Mann hatte nicht nur die klassischen Currywürste auf dem Rost, er hatte auch eine vegane Variante, die sich, wenn man genügend Soße darübergoss, kaum von der echten unterschied. So zumindest beschworen das die Veganer, was ihren vermeintlich nicht veganen Lebenspartnern sehr recht kam, da es immer schwieriger wurde für die Mitglieder derartiger Misch-Ehen, einen gemeinsamen Ort zur Nahrungsaufnahme zu finden: Durften die Vorgänger der Veganer, die Vegetarier, sich ab und an noch ein Stück Fleisch einverleiben, so gelten bei den Veganern längst Gebote von religiöser Strenge.

Nicht beim Imbiss in der Bergmannstraße! Hier lag die schweinische Wurst friedlich neben der Soja-Imitation. Unter dem Logo der Wurst wuchs zusammen, was zusammen gehört: Menschen aller Nationen und Gesinnungen. Gemeinsam hingen sie an der Wand, die Fotografien der Stammgäste, Christen, Buddhisten, Muslime, die sämtlich der Freundlichkeit des Currywurstverkäufers verfallen waren. Er nämlich bediente nicht mit Berliner Schnauze, sondern mit asiatischer Höflichkeit. So kam es, dass selbst jene Kreuzberger, die sonst nur Currys beim Asiaten aßen, bei ihm um Pommes mit Majo anstanden und die sieben verschiedenen Soßen ausprobierten.

Ein Hausverbot hatte der freundliche Asiate nie aussprechen müssen. Einmal aber wurde er sehr still. Der Gast, der »ne Curry ohne Darm, mit Pommes rot-weiß, und ein Schultheiss!« bestellt hatte, sah in dem Fremden hinterm Tresen nicht den Ladenbesitzer, sondern den billigen Tagelöhner. Er kehrte ihm den Rücken und kümmerte sich um seine Pommes, während der Gast mit den Füßen scharrte. Wortlos schob er die Pappe rüber, wortlos strich er das abgezählte Kleingeld ein, und es war gut, dass auch der Deutsche so still blieb. Sonst wäre es womöglich laut geworden in der Bergmannstraße.

Nun hat »Icke« den Laden übernommen und mit großformatigen Plakaten in der ganzen Straße auf sich aufmerksam gemacht: Jetzt im Bergmannkiez! Berliner Currywurst! New York, Paris, Tokío, Lindenstruth. Unterschrieben hat er mit »Icke wa«, wie ein selbstbewusster, uralter Berliner. Aber wo eigentlich liegt Lindenstruth? •


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