Dez. 2020/ 2021 - Ausgabe 225
Kanzlei Hilfreich
Der gregorianische Kalender von Kajo Frings |
Es gab einmal eine Fernsehserie, die so hieß wie eine Straße in Kreuzberg, und die in München spielte und in Köln-Bocklemünd gedreht wurde. Zu jener Zeit verkehrte der Anwalt Jens Hilfreich in der Mokkabar, und eines Nachts kam er dort mit dem Barkeeper ins Gespräch: »Du bist doch Anwalt. Machst Du auch Arbeitsrecht?« »Nein, eigentlich nicht.«, sagte Hilfreich, der eigentlich Feier-abend hatte. »Egal!«, sagte der Barkeeper. »Mein Bruder spielt doch in der Lindenstraße...« - »In der Fernsehserie? Die seh ich nicht!« - »Egal! Der soll jetzt einen Anschlussvertrag kriegen, aber ich finde, die zahlen zu wenig. Was kann man da machen?« - »Verhandeln.« - »Aber mein Bruder ist einfach zu ängstlich. Du hast doch erzählt, dass du mal beim WDR....« - »In den Semesterferien, als Beleuchter! Aber er soll nicht zu hoch pokern, sonst schreiben sie die Figur einfach raus.« - »Ach, die Folgen mit ihm haben gerade gute Einschaltquoten.« »Ich kanns versuchen, aber versprechen kann ichs nicht.«, sagte der Anwalt, nachdem der Mann hinter dem Tresen ihm einige Drinks spendiert hatte. Und so fuhr Jens Hilfreich eines Tages nach Köln, bestaunte die Kulissen und ging an Mutter Beimers Küche vorbei in die Verwaltungsabteilung. Sein Gesprächspartner ließ ihn zwei Stunden warten und entschuldigte sich für die Verspätung, indem er auf seine geschwollene Wange zeigte. »Szanarz-OP! Lassen Sie uns schnell machen. Jeder Anfänger bekommt pro Folge einen fixen Betrag, und Gehaltserhöhungen gibt es erst nach zwei Jahren. Soweit ist ihr Mandant noch nicht.«- »Mein Mandant will ja auch pro Folge keinen höheren Betrag!« - »Ja, was will er denn dann?« Jens erklärte es ihm. Nach einer halben Stunde war man sich handelseinig, die beiden Männer setzten ihre Unterschrift unter einen neuen Vertrag. Jens fuhr zurück nach Berlin, wo ihn schon bald der Anruf seines Gesprächspartners aus Köln erreichte: »Jetzt wo die Betäubung von der Narkosespritze nachlässt, merke ich, dass Sie mich ausgeknockt haben.« Jens Hilfreich konnte sich ein selbstzufriedenes Lächeln nicht verkneifen. In der Mokkabar traf er sich dann wieder mit dem Barkeeper und dessen Bruder, dem Schauspieler. »Und, wie ist es ausgegangen?« - »Das Honorar pro Folge bleibt gleich hoch. Aber es sind jetzt 54 Folgen pro Jahr vereinbart.« Der Barkeeper rechnete »Aber hat ein Jahr nicht nur 52 Wochen?« - »Fast richtig. Alle 6 Jahre auch mal 53. Aber das ist nicht euer Problem, der Vertrag geht über 54 Folgen pro Jahr. Also 54 Honorare, egal, wie viele Folgen gedreht werden. Und jetzt kommen wir zum Honorar. Also, zu meinem...« Und da fiel Jens Hilfreich auf, dass er wieder einmal keine Honorarvereinbarung mit seinem Auftraggeber getroffen hatte. • |