April 2020 - Ausgabe 218
Kanzlei Hilfreich
Hilfreich und die goldenen Achtziger von Kajo Frings |
Den Herrn Strack als Mandanten hatte Jens Hilfreich 1982 von seinem Vorgänger geerbt. Herr Strack hatte keinen richtigen Beruf, jedenfalls gab es für seine Tätigkeit keine Berufsausbildung. Herr Strack war selbstständiger Gauner und arbeitete in diversen Bereichen, unter anderem als Taxifahrer, wobei bemerkenswert ist, dass er zu den wenigen Chauffeuren gehörte, die eine Lizenz für Ostberlin besaßen und ohne Schwierigkeit die Grenze an der Heinrich-Heine-Straße passieren konnten. Was Herr Strack allerdings nicht hatte, war eine Lizenz für West-Berlin, aber er hatte diese bereits beantragt und auf seinem Auto schon einmal das Taxi-Schild angebracht. Da es illegal gewesen wäre, ohne Taxi-Lizenz ein Auto mit Taxi-Schild zu fahren, hatte er die Anzeige mit dünnem Kreppband überklebt. Was er scheinbar nicht bedacht hatte, war der Umstand, dass, wenn er nachts den Lichtschalter umlegte, das Wort Taxi deutlich durch das Kreppband zu erkennen war. Das führte dazu, dass das Auto von Herrn Strack eines Nachts am Hermannplatz von fünf Taxen umstellt wurde; die Fahrer zerrten ihn aus dem Auto, untersuchten seinen Wagen und machten sich an seiner Funksprechanlage zu schaffen. Herr Strack versuchte den »Kollegen« klarzumachen, dass er selbstverständlich nicht den Taxifunk abhörte, um in Konkurrenz zu ihnen zu treten, sondern dass er ausschließlich die Funkfrequenz der Berliner Abschleppfahrzeuge verwendete. Dennoch kam er in dieser Nacht nur noch mit Mühe und Not in die Notaufnahme ins Urbankrankenhaus, um sich das gebrochene Handgelenk und diverse Prellungen behandeln zu lassen. Am nächsten Morgen saß er bei Jens Hilfreich. Er gab zu: Sein Nebenerwerb sei es, durch Kreuzberg, Tempelhof und Neukölln zu fah-ren, frische Verkehrsunfälle zu sichten, die beteiligten Verkehrsteilnehmer zu überreden, die Polizei aus dem Spiel zu lassen und stattdessen seinen Freund Heinz anzufunken, der dann mit seinem Abschleppwagen kam. Man einigte sich bar mit dem Unfallgegner, die fahruntüchtige Kiste wurde aufgeladen und irgendwo auf einem Hinterhof repariert. Weder die Polizei noch die Versicherungen mussten behelligt oder bezahlt werden. »Aber dafür brauchen Sie doch kein Taxischild!«, wandte Hilfreich ein. »Ja schon, aber ich hab da noch so einen Nebenerwerb. Ich fahre für einen Kreuzberger Modelservice. Wenn die Mädchen mit dem Taxi kommen, kostet das den Kunden eben 20 Mark mehr. Und weil die Kunden das mit dem Taxi nicht glauben, bleib ich unten stehen, bis sie aus dem Fenster geguckt und mein Schild gesehen haben.«- »Und das lohnt sich?« - »In guten Nächten fahr ich 10 Mädchen durch die Stadt, hin und zurück, da läppert sich was zusammen.« »Interessant!« sagte Hilfreich. »Wie kann ich Ihnen helfen?« • |