Kreuzberger Chronik
September 2019 - Ausgabe 212

Mühlenhaupts Erinnerungen

Der Jodlersepp


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von Kurt Mühlenhaupt

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In den Leierkasten kamen immer wieder Leute, manchmal auch die, die tagsüber die Trödelhandlung durchstöberten. Sie waren so eine Art Stammkunden. Für manche war ich auch nur der seelische Schuttabladeplatz. Einer war der Jodelsepp, den es von München hierher verschlagen hatte. Er sammelte alle möglichen und unmlöglichen Pfeifen. Da waren welche aus Rosenholz, aus Ton gebrannt und Meerschaumpfeifen. Bei mir fand er eine Großvaterpfeife mit Deckel. Seitdem besuchte er mich regelmäßig, in der Hoffnung, wieder fündig zu werden. Er hatte sich in Kreuzberg einen Keller gemietet, und ich sollte ihn besuchen, was ich an einem Sonnabend tat. Als ich eintraf, wurde ich mit bayerischer Folklore überschüttet. Er und seine Frau jodelten, und alles jodelte mit. Bei dieser Jodelei mußte ich seine Pfeifensammlung bewundern, in der meine »Lehrer-Lempel-Pfeife« einen ganz besonderen Platz einnahm.

Gegenüber von seinem Keller war das Kreuzberger Vereinshaus, ein uraltes, ehemaliges Vereinsgebäude. Da er sich dort auskannte, wurde ich, so weit wie möglich, eingeführt. Ein Großteil der Türen blieb uns verschlossen, weil Lesbierinnen zum Tanz baten. Den hinteren Hof mit Garten hatten die »großen Jungs« von Kreuzberg, die Dreißig- bis Sechzigjährigen für ihren Westernverein gepachtet. Sie bauten sich Zelte und eine Blockhütte und spielten Trapper und Indianer. Es wurde mit Platzpatronen geschossen und mit Lassos geworfen. Der Jodlersepp kannte alle gut. Er brachte sie auch mal mit in meine Kneipe, leider fühlten sie sich bei mir falsch plaziert. Weder die Arbeiter, noch die Studenten, oder gar die Künstler, fanden Gefallen an einer derartigen Westernromantik. Sie landeten allesamt in Hertas Kleiner Weltlaterne, wo sie bei Thadeus bestens aufgehoben waren.

Entnommen aus Kurt Mühlenhaupt, Nächte im Leierkasten, mit freundlicher Genehmigung von Hannelore Mühlenhaupt

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