Wilhelm Mühlenhaupt wurde am 07.03.1904 geboren. Seine erste Arbeit verrichtete er in der Glashütte Baruth. Danach lernte er in einer Sattelei. In den zwanziger Jahren ging er für drei Jahre auf Wanderschaft. Als er danach zu uns zurückkam, war ich neun Jahre alt. Wir wohnten damals in Tempelhof. Es war die große Zeit der Arbeitslosigkeit. Er hatte das Glück, als Straßenfeger unterzukommen. Dort lernte er Elschen Schibrowski kennen, die hübsche Tochter seines Vorarbeiters. Sie heirateten. Elschen brachte erst die Tochter Helga zur Welt und danach Sohn Heinz. Beide wurden in Liebe aufgezogen.
Da Onkel Willi den Staub der Straße nicht vertragen konnte, wurde er für die Stadt Berlin Pferdepfleger. Danach versuchte er sich als Straßenbahnschaffner. Weil er mit der Rechenmaschine vor dem Bauch nicht klar kam, arbeitete er als städtischer Kammerjäger, mußte aber wegen seines schweren Asthmas die Arbeit bald wieder hinschmeißen. Seine Frau starb, und die Kinder gingen aus dem Haus. Sie waren glücklich verheiratet, als Onkel Willi spurlos verschwand. Ich machte mich auf die Suche nach ihm und hörte, daß er unter den Brücken von Kreuzberg leben sollte. 1960 hatte ich meinen Bruder gefunden. Er wohnte vorerst bei uns in den Räumen, in die wir gerade eingezogen waren. Hier schlief er eine Weile auf der Prinzessinnenmatratze.
Entnommen aus Kurt Mühlenhaupt, Zwischen Lebenströdel und Serienstanduhren, 1959 - 1969, mit freundlicher Genehmigung von Hannelore Mühlenhaupt
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