Kreuzberger Chronik
April 2019 - Ausgabe 208

Kanzlei Hilfreich

Hilfreich und die älteren Gelehrten


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von Kajo Frings

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Von Akademikern, Postboten, Latinas und Skandinavierinnen

Professor Bernwart war ein netter älterer Herr. Doch nun hatte der nette Mann ein Verfahren wegen »Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz« am Hals. Der Zoll am Frankfurter Flughafen hatte eine an den Professor adressierte Lieferung, die aussah wie mehrere Tafeln kolumbianischer Schokolade, aber keine 80 % Kakao, sondern 100 % Kokain enthielt, ins Visier genommen. Man hatte das Päckchen wieder verschlossen, und eine Woche später kam die Hausdurchsuchung. Kokain fanden die Beamten nicht, aber einen Briefumschlag mit Kokainspuren und einem merkwürdigen Vermerk auf der Vorderseite, dort wo eigentlich die Briefmarken klebten: »Professor bitte für mich«.

»Ach, das kann ich erklären«, meinte der Professor, »das ist die Schrift von meinem Postboten. Der sammelt ausländische Briefmarken, und wenn ihn eine interessiert, macht er mir da eine Notiz drauf, dass ich sie für ihn aufhebe. Aber diesen Briefumschlag kenne ich nicht.« Hilfreich, der sich die Strafakte mit seinem Mandanten ansah, meinte: »Ja, es sind auch keine Fingerabdrücke von Ihnen auf dem Umschlag, den die Polizei in der blauen Tonne sichergestellt hat. Wer hat denn sonst noch Zugang zu Ihrer Post?« - »Höchstens diese spanische Sprachschülerin, der ich so wochenweise Kost und Logis gewähre, wenn sie in Berlin Deutschkurse besucht.« - »Ach, und was gewährte die Senorita Ihnen?« Der Professor lächelte verlegen. »Könnten Sie mir mal ne Aufstellung machen, wann Sie im letzten Jahr diesen Damenbesuch hatten? Und mit dem Postboten würde ich auch gerne mal reden. Können Sie das arrangieren?«.

Ein paar Tage später unterhielt sich der Anwalt mit dem Postboten. Ja, die Briefmarken interessierten ihn, kämen ja oft aus Lateinamerika. Für den Briefschlitz seien die Päckchen zu groß gewesen, deshalb habe er sie den netten jungen Frauen gegeben, die beim Professor wohnten. Die hätten ihm dann auch die Marken herausgeschnitten.

Der Anwalt nahm sich den Mandanten vor: »Wär ja nett, wenn Sie Ihrem Anwalt alles erzählen. Also keine gelegentliche Spanierin, sondern mehrere Latinas. Wo übernachten die denn, wenn nicht bei Ihnen?« - »Bei befreundeten Kollegen.« - »Dann mailen Sie mir mal eine Liste mit Namen und Adressen der Professoren und der Studentinnen. Und dann werd ich dem Staatsanwalt einen Beweisantrag ankündigen.« Der Staatsanwalt war einsichtig und teilte mit, dass er erst einmal die Polizei ermitteln lasse. Kurze Zeit später wurde das Strafverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Dennoch riet ihm Hilfreich, künftig nur noch Studentinnen aus Ländern aufzunehmen, in denen keine Drogen angebaut werden.

»Aber Herr Anwalt, was soll ich machen, ich stehe nicht auf Skandinavierinnen.« •


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