Mai 2018 - Ausgabe 199
Kanzlei Hilfreich
Gut Ding will Weile haben von Kajo Frings |
Wie Jens Hilfreich einen aufstrebenden Architekten vor einem Millionenverlust bewahrte. Es begann in der Marheinekehalle - und wie so oft mit der Frage: »Sie sind doch Anwalt? Ich hätte da mal ne Frage.« Sie setzten sich an einen Tisch beim einzigen Spanier in Kreuzberg, der Calamaretti immer noch besser zubereitete als Jens Hilfreich selbst. Der Beratungsschnorrer kam sofort zur Sache: »Ich wollte immer Architekt werden und nach dem Abi so schnell wie möglich studieren. Aber es gab den Numerus Clausus, und ich hätte bei meiner Abiturnote zwei Jahre warten müssen. Also hab ich eine Kopie von meinem Abiturzeugnis gemacht und beim Datum die letzte Ziffer verändert, also aus der 8 mit Tipp-Ex eine 6 gemacht. Und davon wieder eine Kopie. Ich hab also mein Abiturdatum um zwei Jahre vorverlegt. Dann hab ich das echte Abizeugnis mit der gefälschten Kopie dem kurzsichtigen Pfarrer gebracht, der hat´s beglaubigt und ich hab´s bei der Uni eingereicht. So bekam ich sofort meinen Studienplatz.« Jens leierte den Paragrafen 267 StGB runter: »Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herstellt, eine echte Urkunde verfälscht oder eine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren bestraft. Und Sie haben auf jeden Fall die Kopie einer echten Urkunde verfälscht.« »Ja«, sagte der Architekt, »aber als ich nach dem Studium das Abschlusszeugnis erhielt, stand ja das falsche Abiturdatum drauf. Und dann hab ich eine Kopie und aus der falschen 6 wieder eine 8 gemacht. Der Pfarrer hat wieder nicht hingeguckt und beglaubigt. Und dann wurde ich mit dieser Urkunde, deren Inhalt total der Wahrheit entsprach, Architekt.« »Schön für Sie! Aber wo liegt jetzt das Problem?« »Die Frau, der ich mal ein Eheversprechen gab, die ich aber nicht mehr liebe, weiß das alles. Sie hat damit gedroht, mich anzuzeigen, wenn ich sie nicht heirate. Ehevertrag will sie aber nicht. Und eine Scheidung würde mich Millionen kosten...« Jens erinnerte sich: »Sie sind doch dieser aufstrebende Architekt, der gerade für so ein Milliardenprojekt den ersten Preis erhalten hat. Apropos Preis, wie wär‘s mit einer Honorarvereinbarung.« Man einigte sich. Jens machte den alten Architektenwitz: »Mir fällt schon was ein«, durchstöberte einige Bibliotheken und fand schon bald die Lösung. Das letzte Mal, dass das Licht der Öffentlichkeit in diesem Fall eine beglaubigte Kopie gesehen hatte, war bei der Eintragung in die Architektenrolle vor 4 Jahren und 11 Monaten. Entsprechend dem Rat seines Anwalts verließ der Architekt exakt einen Monat später um Mitternacht endgültig das drohende Ehebett. Die Verlobte protestierte: »Ich zeig´ dich an!«, aber Hilfreichs Mandant wiederholte, was er schon seit dreißig Tagen vor sich hinmurmelte: »§78 Abs. 3, Nr. 4 StGB: Verliebt, verlobt, versprochen - verjährt«. • |