März 2018 - Ausgabe 197
Essen, Trinken, Rauchen
Sas im Umami von Saskia Vogel |
Sas motzt rum. »Wir haben den engsten Platz von allen!« Direkt an der Heizung, die Garderobe im Nacken. Und noch schlimmer: Den Geschirrspüler im Blick. Das »Umami« muss in irgendeinem Trip Advisor stehen, die Touristen werden vom »Türsteher« stoßweise hereingeleitet. Ein indochinesisches Oktoberfest mit langen Bierbänken. Wenn es hier gleich brennt, wird Sas totgetrampelt. Früher war alles besser. Da stand Sas im bauchfreien Röckchen und Lackschuhen vor den »In«-Clubs der Stadt an. Heute reicht es nur noch für einen knielangen Mutti-Rock – und eine noch längere Schlange vor dem »Umami« in der Bergmannstraße. Wirklich »in« ist vermutlich, wer woanders isst. »Do you also want a table?«, wird Sas von etwas 1,55 Meter Großem mit Piepsstimmchen gefragt, das ihr von hinten in die Hacken tritt. »Nee«, patzt Sas, »ich stehe hier lediglich für ein Päckchen Zigaretten an.« Immerhin fühlt Sas sich im mit Plastikgardinen verhängten Entree wie im Eingang eines Fetischclubs. Fluoreszierendes Licht, Räucherstäbchen und die üblichen Verdächtigen: Gepiercte Lederschwule, Mädchen mit blondiertem Bob und ein wollmütziger Spanier, der lautstark über seine Befindlichkeiten debattiert, die offensichtlich ganz Kreuzberg interessieren: »Und in diesem Moment habe ich mich gefragt: Quién soy yo?« Sas fragt sich eher, wo sie hier gelandet ist. Das Essen im Umami soll raffiniert und gut sein. Und selbstverständlich Bio. Der Türsteher schiebt sie in die Geschirrspül-Ecke. Ihr Blick ruht jetzt auf der Pofalte einer Dreadlock-Frau in Goa-Hose, die sich am engen Nebentisch am Hintern kratzt. »Fehlt nur noch, dass sie gleich zwei Dicke neben uns platzieren«, prophezeit Sas´ Freund. Es kommt schlimmer: Drei Dicke werden an ihrem schmalen Tisch platziert. »Was isst du da?«, fällt Sas´ neue Freundin ihr direkt in den Teller. »Seitanfisch mit Zitronengrasmarinade – schön leicht für die Figur!« »Und du daaaa?« Die andere Dicke zeigt mit nacktem Finger auf Sas´ Freund. Sas ist genervt. Alteingesessene Berliner wollen ja keine neuen Bekanntschaften. Ihr Freund verleiert die Augen und stellt seinen Teller quer. Presst die Arme an den Oberkörper und versucht verzweifelt, mit der Gabel seine Rinderspitzen mit Mango aufzuspießen. Die Tischnachbarn hängen mit ihren Ärmeln in seiner Sauce. »Die Frau ist mir gerade näher als du!«, raunt Sas´ Freund verschwörerisch. Dabei ist doch heute ihr Jahrestag. Und eigentlich sollte das doch ein romantischer Abend werden. Sollte. Hätte. Könnte. »Möchtest du noch Nachtisch?«, fragt Sas´ Freund. »Nein!«, sagt Sas. Die beiden sind sich einig. Und legen die Speisekarten ihrer Beziehung offen auf den Tisch. • |