März 2018 - Ausgabe 197
Kanzlei Hilfreich
Hilfreich und der Abschnitt 52 von Kajo Frings |
Rechtsanwalt Hilfreich musste wieder mal zur Friesenstraße 16, Polizeiabschnitt 52, um einen rücksichtslosen Fahrradfahrer wegen körperlicher Nötigung anzuzeigen. Im Nebenraum hörte er seinen Anwaltskollegen Karl Grohlmann mit dem Polizeibeamten streiten: »Unverschämtheit, meinen Mandanten zu Hause zu besuchen und ihm ein Strafverfahren anzudrohen. Ich werde bis vor’s Kammergericht gehen.« - »Von mir aus könn´ Se mit Ihrem Cannondale Scalpel-Si Carbon Mountainbike bis vor’s Kammergericht fahren. Jedenfalls kriegt Ihr Mandant ne Ansprache, wenn und solange wir das für nötig halten.« Jens Hilfreich verließ beinahe zeitgleich mit dem Kollegen das Polizeigebäude, im nächsten Café kamen sie ins Gespräch. Karl Grohlmann hatte einen Dauer-Mandanten, Dimitri, genannt Mitko, der diverse Geschäfte betrieb, insbesondere den Schutz der neuen Gentrifizierungs-Läden im Bergmannkiez. Natürlich keine Spur von Erpressung, sondern gerichtssicher formulierte Verträge. Nur zum Eintreiben der Schutzgelder waren Gerichtsvollzieher nicht effektiv genug. Dafür hatte Mitko eigene Leute. Das führte gelegentlich zu Anzeigen wegen Nötigung, Bedrohung, Körperverletzung. Nichts ließ sich beweisen, dennoch wurde dieser gesetzestreue Mitko ständig von der Polizei mit Hausbesuchen, vorbeugenden Ansprachen und ähnlichem terrorisiert. So jedenfalls stellte der Kollege die Sache dar, ein aufrechter Anwalt, der aus seinem Herzen keine Mördergrube machte. Einige Zeit später kam Grohlmann wieder zu Jens Hilfreich und erteilte ihm ein Mandat. Sein Mandant Mitko war zu der Ansicht gelangt, dass die Erfolge seines Verteidigers weniger dessen Kenntnissen der Strafprozessordnung geschuldet waren als dem Umstand, dass Mitko immer ein Alibi hatte und die Erinnerung der Anzeigenerstatter nie bis zur Hauptverhandlung reichte. Mitko kam zu der Ansicht, dass sein Verteidiger kein Recht auf einen derartig hohen Stundensatz hätte. Die Mahnung, in der Grohlmann das Wort »Rechtsanwaltsvergütungsgesetz« erwähnt hatte, klebte am nächsten Morgen an Grohlmanns Cannondale Scalpel-Si Carbon, das jemand zu einem Paragrafenzeichen verformt hatte. Jens Hilfreich beantragte für seinen Mandanten eine »Ansprache« bei Mitko. Der diensthabende Beamte auf dem Abschnitt 52 las den Antrag, sagte: »Warten Sie mal, dat jloobt mir keener!« Dann rief er die Kollegen zusammen: »Ausgerechnet der Grohlmann macht ne Anzeige gegen Mitko, weil der sein 12.000-Euro-Fahrrad umgeschubst haben soll«. Das Gelächter auf der Wache soll bis auf die Straße zu hören gewesen sein. Jens Hilfreich legte das Mandat nieder. • |