Kreuzberger Chronik
März 2018 - Ausgabe 197

Herr D.

Der Herr D. am Getränkeautomat


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von Hans W. Korfmann

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Der Herr D. staunte: Schon wieder war ein Jahr vorüber, und der Bierkasten mit den leeren Flaschen vom letzten Jahreswechsel stand noch immer in der Küche. Also griff er sich die Kiste, in der sich kleine und große Flaschen verschiedener Marken befanden, und fuhr zu Netto. Lässig schob er den Kasten auf das Laufband, der sofort im Bauch des Automaten ver-schwand, aber gleich darauf wieder zurückkam. Auf dem Display erschien die Meldung, der Herr D. solle die rot markierten Flaschen, die auf einer schematischen Darstellung seines eingescannten Bierkastens ganz aufgeregt blinkten, wieder aus dem Kasten entfernen.

Da die rot markierten Flaschen in der Überzahl waren, nahm er die vier anderen heraus, so dass der Automat nun 7 gleich kleine Flaschen erhielt. Er schob die vier anderen in die obere Öffnung für die Einzelflaschen und den Kasten auf das untere Laufband. Wieder forderte der Automat ihn auf, die roten Flaschen zu entfernen.

Also nahm er alle Flaschen heraus, fütterte den Automaten wie ein Kleinkind in kleinen Häppchen und schob am Ende den leeren Kasten auf das Band. Aber der Automat protestierte noch immer und teilte dem Herrn D. mit, er müsse den Kasten mit Bierflaschen füllen.

Doch der Herr D. besaß keine leeren Bierflaschen mehr, sondern nur noch die Quittung über elf eingereichte Flaschen im Wert von je 8 Cent. Ratlos sah er sich um. Irgendwo in dieser Welt der künstlichen Gehirne musste es doch noch einen Rest natürlichen Menschenverstandes geben. Da hörte er im Getränkelager Flaschen klimpern.

»Ich habe hier eine leere Bierkiste, können Sie mir die abnehmen?« - »Das kann ich nicht.« Der Herr D. sah den Mann fragend an.

»Sie werden schon verstehen, warum!«, meinte der Verkäufer.

Der Herr D. setzte all seine menschliche Intelligenz ein, aber ihm fiel nichts ein: »Ich habe doch Pfand für den Kasten bezahlt.«

»Und wer garantiert mir, dass Sie sich den leeren Kasten nicht gerade erst hier gegriffen haben?«

Das wäre Diebstahl, dachte der Herr D. Er verstand, dass er sich verteidigen musste.

»Ich habe doch den Pfandbon von Ihrem blöden Automaten! Da steht sogar die Uhrzeit und das Datum drauf. Das ist keine dreißig Sekunden her, dass ich elf leere Flaschen in Ihren Automaten geschoben habe. Ihr Automat kann das bezeugen.«

Doch der Mann verhielt sich wie sein Automat. Er hielt sich an die Vorschriften und blinkte ein bisschen rot mit dem Kopf.

»Merkwürdige Welt, in der die künstliche Intelligenz eines Getränkeautomaten mehr zählt als der natürliche Menschenverstand!«, schimpfte der Herr D. und nahm seine leere Kiste wieder mit nachhause. Nächstes Jahr, zu Silvester, würde er es noch einmal probieren. •


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