Februar 2018 - Ausgabe 196
Geschichten & Geschichte
Friedrichs Kaffeeschnüffler von Werner von Westhafen |
Dabei war Kaffee in dieser Gegend einmal Mangelware. Denn es gab Zeiten, da stand der braune Sud auf dem Index. Hatte der Soldatenkönig ( vgl. Kreuzberger No. 176 und 180) an den Zollstationen am Halleschen- und am Kottbusser Stadttor noch nach desertierenden Soldaten und geschmuggeltem Schweinefleisch fahnden lassen, setzte sein Sohn Friedrich im Jahre 1766 neben dem Wein, dem Schnaps, dem Bier, dem Tabak, dem Fleisch, dem Zucker, dem Essig und dem Salz auch den Kaffee auf die Liste der zollsteuerpflichtigen Lebensmittel. Die Maßnahme förderte die Sympathie der Berliner für ihren neuen König nur wenig, denn das Getränk war gerade überaus beliebt. Es stand in dem Ruf, für »einen wachen Kopf und scharfe Gedanken« zu sorgen, der »Blitz gegen Migräne« und »die Milch aller Schachspieler und Denker zu sein«. Der große Friedrich selbst genoss laut königlichem Speiseplan täglich mehrere Tassen eines Suds aus gerösteten Kaffeebohnen, heißem Wasser, Senf oder auch Champagner. Friedrich II. versprach sich ob der Beliebtheit des Kaffees volle Staatskassen, als er das von ihm so hochgeschätzte Getränk prompt mit einer Luxussteuer von 150% belegte. Doch mit dem Preis wuchs auch die Verlockung für den Schmuggel der kleinen Böhnchen: Während der Kaffee in Hamburg noch immer 5 Groschen kostete, verlangten die Preußen schon einen Thaler. Selbst der Schmuggel kleiner Mengen trug den Kleinkriminellen bereits einen respektablen Gewinn ein, aber schon bald wurde der Kaffee nicht nur in kleinen Portionen und zum Hausgebrauch heimlich importiert, sondern säckeweise und zum Verkauf auf dem Schwarzmarkt über die Grenzen geschmuggelt. Auf Kähnen und Fuhrwerken, unter Stroh und Sandhaufen, in Kohlensäcken oder Biertonnen, auf Eselsrücken und unter den weiten Röcken der Marktfrauen fand das Getränk den Weg in die Stadt. Selbst in Särgen soll Kaffee gelegen haben. Friedrich verfluchte den Schmuggel und beklagte bei seinen Ministern, dass ein Großteil der kleinen Böhnchen »durch tausenderleih nicht zu verhindernde Kunstgriffe« den Zollfahndern und dem Fiskus entginge. Zuletzt konnten die Fahnder die Ware auch nicht mehr am Duft erkennen, da sich die Schmuggler auf die duftlosen grünen Bohnen verlegt hatten. Was dazu führte, dass der Duft frisch gerösteten Kaffees jetzt schon aus den Küchen der Berliner Bürgerfrauen drang. »Jeder gemeine Bauer und gemeine Mensch gewöhnt sich jetzt zum Kaffee«, nörgelte Friedrich, der befürchtete, der aristokratische Duft des Kaffees könne sich in Luft auflösen. Kaffee sollte es nach seinem Willen nur noch an einigen, von ihm persönlich ausgewählten Orten, zum Beispiel in den Offizierskasinos und im aristokratischen Café Royal gegenüber dem Stadtschloss unter den Linden, geben. Keinesfalls sollte in den schmutzigen Vorstädten südlich des Halleschen oder Kottbusser Tores der Duft von Kaffee die Landluft veredeln. Also erließ der alte Fritz am 21. Januar 1781 das Kaffeeröstgesetz, in dem geschrieben stand: »Es ist allen und jedem verboten, in den Häusern oder irgend anderswo Kaffee zu brennen, und keinen anderen Kaffee zu führen als denjenigen von der General-Niederlage in Paketen versiegelten und gestempelten Kaffee« aus königlichem Hause. Um die Einhaltung dieses Gesetzes zu kontrollieren, schickte der König vierhundert arbeitslose französische Soldaten aus dem Siebenjährigen Krieg durch Berlins Straßen, um heimliche Kaffeeröster am heimischen Herd ausfindig zu machen. Die Spione des Königs, von den Berlinern unverzüglich als »Kaffeeschnüffler« verspottet, schlichen fortan nächtens mit gerümpften Nasen an den Küchenfenstern vorüber, standen tagsüber an Brücken und öffentlichen Plätzen und hatten sogar das Recht zum »Abtasten und Abriechen von Frauen«. Sie drangen überraschend in Küchen und Speisezimmer ein und hielten ihre langen Nasen in die bürgerlichen Porzellantassen. Damit machten sie nicht nur sich selbst, sondern auch den König zum Gespött. Selbst die Berliner vor dem Halleschen Tor blieben von den neugierigen Spionen des Königs nicht verschont. Auch hier fahndeten die Kaffeeschnüffler nach heimlichen Brennereien, und da die Spürnasen zusätzlich zum komfortablen Gehalt eine Erfolgsprämie erhielten, verschlangen sie in den Jahren ihrer Spionagetätigkeit summa summarum mehr als 22 Millionen Taler – und ein Vielfaches dessen, was der alte Fritz an Kaffeesteuer einnehmen konnte. Obwohl er wusste, dass das ganze Volk sich über ihn lustig machte, brachte er es nicht übers Herz, seine französischen Kaffeeschnüffler zurückzurufen. Erst nach dem Tod des Alten Fritz wurde das Kaffeerösten auf dem heimischen Herd wieder erlaubt. Die Luxussteuer, heute besser bekannt unter dem Namen Genusssteuer, blieb dem Kaffee allerdings bis heute erhalten. Sie bringt dem deutschen Fiskus rrund Milliarde Euro jährlich ein. Zusätzlich zur Mehrwertsteuer. Dem Großen Fritz sei Dank. • |