Kreuzberger Chronik
August 2018 - Ausgabe 201

Kanzlei Hilfreich

Hilfreich und der Eingehungsbetrug


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von Kajo Frings

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Wie Jens Hilfreich einem aussichtslosen Fall doch noch aus der Klemme half

Der so genannte Eingehungsbetrug ist eine besondere Form des Betruges. Er ist vergleichbar mit dem Versprechen eines Liebhabers, mit der Geliebten die Ehe einzugehen, ohne dies ernsthaft zu beabsichtigen. Diese Art eines Eingehungsbetruges ist aber nicht strafbar.

Strafbar ist es jedoch, eine Ware zu bestellen, ohne die Absicht zu haben, sie zu bezahlen. Dieser Vorsatz muss allerdings schon beim Bestellen vorliegen. Der Nachweis hierfür ist nicht leicht zu erbringen, oft fasst ein Mensch Vorsätze, doch dann kommt etwas dazwischen: Man vergisst die PIN der Visa-Karte, der Arbeitgeber vergisst, den Lohn zu zahlen, oder die Tochter braucht Geld für die Klassenfahrt.

Im Fall von Adrian Schlechter schien die Sache eindeutig: Er lebte auf der Straße, die »Stütze«, wie es damals hieß, war zur Monatsmitte aufgebraucht, er war mehrfach beim Schwarzfahren er-wischt worden und gerichtsbekannt. Nun erließ der Richter Strafbefehl, weil Adrian ein Buch im Katalog bestellt und in Empfang genommen, aber nicht bezahlt hatte. Jens Hilfreich legte im Auftrag seines langjährigen Mandanten Einspruch ein.

Es kam zur mündlichen Verhandlung. »Was versprechen Sie sich eigentlich von Ihrem Einspruch?«, fragte der Richter. »Einen Freispruch!«, sagte Jens Hilfreich. »Ihr Mandant hat ein Buch bestellt, ohne über die Mittel zu verfügen, dieses Buch auch zu bezahlen!« Hilfreich erwiderte: »Mein Mandant hatte zum Zeitpunkt der Bestellung nicht die Mittel, das Buch zu zahlen, aber die feste Absicht, innerhalb der Zahlungsfrist zu zahlen. Sowohl der Herr Staatsanwalt als auch Sie, Herr Richter, haben sich nämlich nicht die Mühe gemacht, festzustellen, welches Buch mein Mandant bestellt hatte.«

Wie in US-amerikanischen Filmen trat Hilfreich an den Richtertisch. »Ich bitte in das Protokoll aufzunehmen: Der Verteidiger des Angeklagten legt Beweismittel Numero eins vor: Das Buch mit dem Titel Reich und glücklich in drei Wochen!«- »Aha«, sagte der Richter, »und Sie glauben, Ihr Mandant habe geglaubt, nach der Lektüre des Buches zu wissen, wie man reich und glücklich wird?«

Jens erwiderte: »Sie nehmen mir das Plädoyer aus dem Mund.« Der Richter schaute den Staatsanwalt an. Dieser murmelte: »Ich könnte mir eine Einstellung gegen Auflagen vorstellen.« - »Welche Auflagen sollen das sein? Der Angeklagte hat ja nichts!« - »Das ist nicht ganz richtig!« unterbrach der Anwalt. »Er hat ja noch das Buch. Wenn Sie meinem Mandanten zur Auflage machen, das Buch zurückzusenden, verbürge ich mich dafür.« Der Richter stellte das Verfahren ein, nicht ohne noch zum Angeklagten zu sagen: »Wenn Sie schon nicht reich wurden, so hoffe ich doch, dass Sie wenigstens in diesem Moment glücklich sind.« •


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