Kreuzberger Chronik
April 2018 - Ausgabe 198

Kanzlei Hilfreich

Hilfreich und der Sondereinsatz


linie

von Kajo Frings

1pixgif

Wie wichtig es ist, die richtigen Worte zu finden.


Als es noch keine Mobiltelefone gab, hinterließ Hilfreich einigen Mandantinnen seine Privatnummer, für den Fall, dass sie in Not gerieten und kein besserer Anwalt zur Stelle war.

Eines Nachts rief ihn ein junger Mann an. Er sei der neue Freund von Jutta Gramskow. Gerade sei ein Mann mit gezückter Waffe in deren Wohnung gestürmt und hätte ihn, den Anrufer, der Wohnung verwiesen. Dieser Mann sei offensichtlich betrunken und hochgradig aggressiv. Jutta Gramskow habe ihm schon vor einiger Zeit die Telefonnummer von Jens Hilfreich gegeben, den solle er anrufen und nicht die Polizei. »Gut, dass Sie sich dran gehalten haben. Rufen Sie nicht die Polizei. Gehen Sie nach Hause. Ich kümmere mich.«

Er kannte den Ex von Jutta. Ein empfindsamer Mensch. Wenn er mit seinen Arbeitskollegen nach Feierabend in einer Kneipe trank und ihn einer der Gäste blöd anmachte, dann ging er mit den Kollegen und dem Blödmann kurz vor die Tür, die Kumpel im Kreis mit dem Rücken zu ihm und dem Blödmann; der bekam, was er verdiente, und wenn der Notarzt kam, standen alle wieder am Tresen und niemand hatte was mitbekommen. Jens Hilfreich mochte diesen Kurt Stöber nicht, aber er sollte ja hier nicht die Gerechtigkeit, sondern seine Mandantin vertreten. Und die wollte nie und nimmer, dass Kurt ins Gefängnis kam.

Jens fuhr zu der Telefonzelle vor Juttas Haus und wählte ihre Nummer. Kurt Stöber war am Apparat: »Welcher Idiot ruft denn jetzt an?!« - »´N Abend Herr Stöber. Hier ist Hilfreich, der Anwalt von Jutta, ich wollt mal fragen, wie’s ihr geht.« - »Ach, hat ihr neuer Stecher Sie angerufen?« - »Ja, und bisher nur mich. Sagen Sie mal, der grüne Peugeot, der hier unten steht, ist das Ihrer? Nicht dass es nachher noch ne Strafanzeige wegen Alkohol am Steuer gibt. Am besten schmeißen Sie schon mal den Autoschlüssel runter, dann kann ich mich drum kümmern. Und jetzt noch mal Jutta.« - Anscheinend gab er Jutta den Hörer, man hörte ein Schluchzen. »Hat er Ihnen was angetan?« - »Er hat sich die Pistole in den Mund gesteckt und meine Hand an den Abzug. Wenn ich ihn wirklich nicht mehr liebe, will er nicht mehr leben. Dann soll ich ihn erlösen.« - »Eigentlich wär das die beste Lösung, aber wie ich Sie kenne, sagen Sie bei der Vernehmung die Wahrheit und dann war’s das mit der Notwehr. Geben Sie mir mal wieder Kurt...«

Der hatte inzwischen seinen Autoschlüssel vom Balkon geworfen und kam ans Telefon. »Was woll’n Se?« - »Jutta will, dass Sie mit dem Scheiß aufhören. Und wenn gleich das SEK kommt, na, Sie wissen schon.« - »Aber meine Waffe behalte ich.« Jens rief das Son, dereinsatzkommando in der Friesenstraße an. »Ihr Kollege Stöber dreht mal wieder am Rad. Kleine Artillerie reicht.« Sie kamen zu dritt, Jens gab ihnen den Autoschlüssel: »Fahrt den mal vorher weg« Dann rief er Jutta an: Falls ihr nach Reden sei - er ginge jetzt in die Molle. •


zurück zum Inhalt
© Außenseiter-Verlag 2024, Berlin-Kreuzberg