September 2016 - Ausgabe 182
Herr D.
Der Herr D. und der Schlossknacker von Hans W. Korfmann |
Oder: Als der Herr D. schleche Laune bekam Der Herr D. fuhr mit dem Rad zum Hermannplatz, da tauchte vor ihm ein Gullydeckel auf, mit den Schlitzen in Fahrtrichtung. Der Herr D. konnte ausweichen, touchierte jedoch den Bordstein und stürzte. Als er sich wieder aufraffte, stand Heinz neben ihm. Heinz hatte vor kurzem seinen Job und seine Wohnung verloren, aber Heinz hatte ein immer freundliches Gesicht. Er lebte jetzt auf 38 Quadratmetern mit einer fünf Zentimeter starken Wand zwischen sich und dem jungen Ehepaar, das seit der Geburt des Kindes keinen Sex mehr hatte. Aber Heinz lachte immer noch und klopfte dem Herrn D. auf die Schulter: »Genau das gleiche ist mir auch passiert. Ich bin mit dem Vorderrad im Gully stecken geblieben und über den Lenker geflogen. Und dabei ist auch noch mein Schlüsselbund in den Gully gefallen. Ich hab sofort die Polizei angerufen, die können doch den Gully nicht so anbringen, dass man drin stecken bleibt. Aber die meinten, sie müssten jemanden bestellen und den Einsatz müsste ich zahlen!« - »Idioten!«, sagte der Herr D. »Immerhin haben sie einen Schlüsseldienst angerufen, damit ich wenigstens in meine Wohnung konnte. Sie würden da einen kennen. Da hab ich dann ne halbe Stunde vor meiner Tür auf diesen Typen in den ausgeleierten Jogginghosen gewartet, weil er gerade eine andere Tür hatte, und während wir zu meiner Wohnung hochlaufen, klingelt bei dem dreimal das Telefon. Drei Aufträge! Dann bohrt er zwei winzige Löcher, setzt so ein kleines Gerät auf mein Zylinderschloss, dreht ein bisschen an einer Schraube, und plötzlich macht es klack und die Tür ist offen. Drei Minuten. Und dann sagt der Typ: Macht 100 Euro!« Die Laune des Herrn D. besserte sich mit jedem Wort, doch der Heinz aus der Erzählung hatte noch immer schlechte Laune. »Na, krieg ich wenigstens ne Quittung, sag ich zu dem Typen, und dann kramt der zwischen seinem rostigen Einbrecherwerkzeug einen verknitterten Quittungsblock raus und kraxelt ein paar Zahlen drauf. Ich guck mir das an und sag: Und wo ist da die Mehrwertsteuer? Und der sagt: Kleinunternehmer, von der Mehrwertsteuer befreit.« Zu gerne hätte der Herr D. den Freund gesehen, als er sagte: »Wie bitte? Kleinunternehmer? Sie haben gerade drei Aufträge bekommen, in drei Minuten, und der bei mir sind vier, und der von vorhin, das sind fünf Aufträge in fünf Minuten! Fünfhundert Euro!« Der Herr D. lachte. Auch Heinz lachte. Er ließ sich die Laune nicht verderben. Als er ein paar Tage später bei dem kleinen Türken, seinem Berater beim Arbeitsamt, saß, erzählte er ihm die Geschichte, und dass er ein Gewerbe anmelden wolle: Heinz-Schlüsseldienst. Der Türke war begeistert. Das Werkzeug hatte Heinz inzwischen bestellt, auch die CD für 24,99.-, ein Lehrgang im Schlossknacken. Einen Moment lang sah der Türke aus, als überlege er ernsthaft, seinen Job beim Arbeitsamt zu kündigen und sich mit Heinz zusammen zu tun. • |