Oktober 2016 - Ausgabe 183
Kanzlei Hilfreich
Wie Hilfreich einen Harleyfahrer dazu brachte, freiwillig zur Polizei zu gehen. von Kajo Frings |
ilfreich las: „Wir Erwachsene sind sehr großzügig, wenn wir das schlechte Verhalten unserer Kinder interpretieren. Wir sagen unserem Kind nicht, du willst mich fertig machen, nein wir suchen nach weichen mitfühlenden Erklärungen.“ Hilfreich dachte an die vielen verzweifelten Mandanten und Mandantinnen, die mit ihren Kindern nicht zurechtkamen. In den Neunzigern, als Mia Farrow zur Ikone aller Pflegemütter wurde, und alle Väter als Sexualverbrecher unter Generalverdacht gerieten, kam ein alleinerziehender Harley-Fahrer zu ihm. Seine 16jährige Tochter hatte die Familienwohnung verlassen und war zu ihrer kiffenden Freundin gezogen. Herr Peters, so hieß der Mann, ging hin, wurde aber mit Hinweis auf das Hausrecht nicht eingelassen. Er ging zum Jugendamt Kreuzberg, wo man ihm erklärte, dass es wohl einen Grund haben müsse, wenn eine 16-jährige von zu Hause fortliefe. „Aber den wird jemand wie Sie uns wohl kaum nennen.“ Also beantragte der Vater bei Gericht eine einstweilige Verfügung, doch die wurde mangels Verfügungsgrund abgelehnt. Jetzt saß er bei Hilfreich und fragte: „Was soll ich tun?“ Hilfreich hatte keine Ahnung und stellte einige scheinbar hilflose Fragen: „Warum sind Sie nicht froh, dass das Gör weg ist?“ - „Ich mag sie doch!“ - „Weiss die das?“ - „Na, ja. Wie soll ich ihr das klarmachen?“ - „Haben sie es mal versucht?“ - „Ich hab diesen Artikel in der Brigitte gelesen: Haben Sie heute Ihr Kind heute schon gelobt? - oder so ähnlich. Und dann hab ich mir jeden Tag was aus den Fingern gesaugt und sie jeden Abend gelobt. Nach einer Woche sagt sie: Lass den Schmuh! Du bist mein Vater, nicht mein Sozialarbeiter!“ „Waren Sie denn schon mal bei der Polizei?“ - „Was?! Doch nich die Bullen! Auch wenn ich nich so aussehe mit meiner Harley, aber ich bin ein Linker!“ -„Sehn Sie!,“ meinte Hilfreich, der endlich eine Idee hatte. „Was glauben Sie, wie das Ihre Tochter beeindrucken wird, wenn der Vater über seinen Schatten springt. Gehen Sie mal auf die Wache an der Friedrichstraße und schildern Sie den Beamten Ihr Problem. Das sind auch alle Väter. Und - nur als Tipp - vermeiden Sie das Wort Bulle“. Ein paar Tage später kam Herr Peters mit einem Präsentkorb in die Kanzlei und bedankte sich. „Hat tatsächlich geklappt. Auf meine Bitte hin sind wir zu fünft in die Wanne gestiegen und zu meiner Tochter gefahren. Die haben Sturm geklingelt und behauptet, sie müsse sofort mit auf die Wache kommen, wenn sie nicht wieder nachhause gehen würde. Die wollte das gar nicht glauben, aber als sie mich dann da hinten so klein in dem Polizeiauto sitzen sah, war sie von den Socken. Kam mir heulend vor Freude entgegen. Also alles bestens – zur Zeit wenigstens.“ • |