Juli 2016 - Ausgabe 181
Essen, Trinken, Rauchen
Sas und die Blusen-Karotte von Saskia Vogel |
Sas nimmt eine imaginäre Fliegenklatsche und patscht auf den Spatz, der auf ihrem Pfannkuchen rumgekrümelt hat. Am Nebentisch hat ein Mädchen in ultrakurzen Hotpants geparkt. Es sieht aus, als hätte das Rauschgoldengelchen keine Hosen an. Sondern lediglich den Schlüppi von gestern Nacht – eingeklemmt zwischen dicken Schenkeln. Es ist sommerlich heiß am Sonntagsfrühstücksvormittag. Nicht alle Gäste in der »muckeligen Neighborhood-Bar« an der Skalitzer Straße haben sich die Haare gewaschen. Die Kellnerin hat ein intelligentes Blitzen in den Augen, trägt aber zu einer grauenhaften Karottenjeans und Omas Spitzenbluse Perlenohrringe. Ein Mädchen, das auf der mit Abgasen gefluteten Sonnenterrasse Saft aus einem Joghurtglas trinkt, einen pinken Tüllumhang. Als sich Sas »damals« – vor einem Jahrzehnt – als Studentin im »Schmück« herumdrückte, hätte sie einen derartigen Auftritt fancy gefunden. Heutzutage braucht Sas erstmal ´nen Liter Kaffee, um überhaupt zu Bewusstsein zu kommen. Auch die anderen Gäste scheinen gerade dem Bett entstiegen zu sein. Sas blickt auf ungepflegte Füße in Sandalen. Die Blusen-Karotte nimmt dienstbeflissen die Bestellung auf: »Pan Amerikana« pancake mit Ahornsirup und Smoothie mit Gurke und Zitrone. »Das ist dann die hausgemachte Limo mit Sprudel« , meint die Karotte. »Nein«, sagt Sas, sie möchte eines dieser Getränke aus dem ausgewaschenen Joghurtglas. »Wie die verkaterte Braut in Tüll!« Der »Salon Schmück« ist eines jener Mädchencafés, in denen alles bunt und niedlich und etwas schäbig ist. Das Geschirr ist alt, die Deko kitschig, und »Salon Schmück« wird stets in Schnörkelschrift geschrieben. »Alles lustig finden, Muffins essen, niemals ´ne Bürste benutzen« könnte das Motto lauten. Oder »Paula heißen, immer glücklich sein« . So wie im »Café Paula« in Pankow, wo man immerhin eines der besten Frühstücke der Stadt serviert. Auch im »Schmück« kann man gut frühstücken, die muckeligen Obstspießchen zum Käse sind süß bis ins letzte Detail, nur die Schrippen sind ein bisschen öde. Aber die Schrippen sind ohnehin eines der größten Probleme Berlins. Aber noch hat Sas weder Obst noch Käse. Und der Spatz keinen Pfannkuchen, auf den er sich setzen und von Sas schlagen lassen kann. Die Karotte ist noch bei den Getränken. »Also den Apfel-Gurken-Orangen-Saft, Nullkommazwei?« - »Nein, den Gurke-Minze -Smoothie, Nullkommafünf. Und dazu das »Berg & Tal« -Frühstück mit Chorizo. Statt Chorizo aber Käse. Einen »Veggie-Max«, aber ohne Ei. Und statt Smoothie lieber doch eine Limo.« Sas könnte jetzt aus der Haut fahren, aber die Blusen-Karotte blitzt nur kurz mit ihren Augen und lacht. Sie ist der Herausforderung gewachsen. Respekt, denkt Sas. Dabei hat die Kleine noch nicht einmal einen Stift dabei. • |