Juli 2016 - Ausgabe 181
Kanzlei Hilfreich
Hilfreich bringt eine Frau zum Weinen von Kajo Frings |
Dort, wo heute das Bundesinnenministerium residiert, füllte in den 80er Jahren die Meierei Bolle Milch in Flaschen, und wo heute moderne Geräte Plastikchips lesen, musste einst jeder Arbeitnehmer seine Anwesenheitskarte abstempeln. Auch Rita Haupt hatte eines Morgens um 5:58:30 Uhr ihre Karte abgestempelt. Die Stempelkarte ihrer Kollegin Monika Hauser hatte für denselben Tag den Eintrag 5:58:40 Uhr. Dummerweise hatte eine besonders ehrliche oder besonders missgünstige Kollegin dem Arbeitgeber anonym mitgeteilt, dass Frau Haupt am fraglichen Vormittag gar nicht im Hause gewesen sei. Monika Hauser wurde unterstellt, sie habe für die Freundin mitgestempelt, was ein klassischer Fall von Urkundenfälschung sowie Beihilfe zum Betrug gewesen wäre, ein Grund für die fristlose Kündigung. Frau Hauser klagte vor dem Arbeitsgericht. Spannend wurde es, als die Kollegin Blaschke, die angeblich genau gesehen hatte, wie Frau Hauser zwei mal hintereinander eine Karte in den Automaten gesteckt habe, in den Zeugenstand trat. Das war der Moment, in dem Hilfreich hilfreich werden konnte. »Frau Zeugin, was genau arbeiten Sie eigentlich?« - »Ich sitze am Fließband und kontrolliere die zurückkommenden Pfandflaschen.« - »Warum?« - »Na, da kommt ja wieder Milch rein, und wenn da jetzt ein Glassplitter drin ist, kann sich der Kunde verletzen.« - »Wieviel e Flaschen laufen da so pro Minute vorbei?« - »60.« - »Sie haben also den Tod von 10 Menschen billigend in Kauf genommen!« Frau Blaschke war sichtlich betroffen: »Ich mache meine Arbeit immer sorgfältig!« Auch der Richter war irritiert: »Was soll die Frage, Herr Anwalt?« - »Wenn die Zeugin 10 Sekunden lang meine Mandantin im Auge hatte, könnten 10 Milchflaschen mit potentiell tödlichen Glassplittern in den Handel gekommen sein.« Frau Blaschke begann zu schniefen. »Wenn die Zeugin aber die Flaschen immer im Auge hatte, kann sie unmöglich gesehen haben, ob meine Mandantin mehr als eine Karte gestempelt hat. Ich weiß ja auch nicht, welche Schlagzeile der Firma Bolle lieber ist: Fahrlässige Tötung oder versuchte Falschaussage?« Jetzt begann Frau Blaschke zu schluchzen. Jens Hilfreich legte noch einen drauf: »Ich schlage vor, dass das Gericht den Tatort in Augenschein nimmt und sich bei den umliegenden Krankenhäusern nach einer auffälligen Zunahme von Magen- und Darmblutungen erkundigt.« Frau Blaschke begann lautstark zu weinen. Der Richter flüsterte mit den Beisitzern, dann rief er: »Es reicht jetzt, Herr Hilfreich. Wir werden weder unsinnigen Beweisanregungen nachgehen noch uns von der Zeugin den Gerichtssaal unter Wasser setzen lassen. Das Gericht zieht sich kurz zur Beratung zurück.« »Und was folgt jetzt?«, fragte sichtlich irritiert die Mandantin ihren Anwalt. »Ein Fehlurteil. Sie gewinnen die Klage!« • |