Dez. 2016/Jan. 2017 - Ausgabe 185
Geschäfte
Die Bastlerzentrale von Uta Siebert |
>Die Bastler-Zentrale von Kreuzberg Seit 68 Jahren gibt es am Mehringdamm einen Laden für alle, die lieber selbst bauen, als Fertiges zu kaufen. Früher kamen sie, weil es das, was sie so dringend brauchten, nicht mehr zu kaufen gab. Also bauten sie es sich selbst zusammen. Kauften Leisten, Schräubchen, Folien, Stoffe, Klebstoff, Werkzeug. Für das Küchenregal, eine Schublade, den Vogelkäfig, das Moped... Nie wieder war die Zentrale am Mehringdamm so wichtig wie Ende der Fünfzigerjahre: Nach dem Krieg, als man sich das ganze Leben irgendwie noch einmal zusammenbasteln musste. Heute kommt nur noch selten jemand, der seine Wohnung reparieren will, in die Bastler-Zentrale. Berlin steht wieder, die Tapeten kleben, die Fenster sind dicht, die Wände gestrichen, die Heizungen verkleidet. Trotzdem erscheint manchmal jemand in der Ladentür, den man zwanzig Jahre nicht gesehen hat, und sagt: »Sie hatten doch früher mal solche....«. Meistens muss Herr Czeslik lächeln und erklären, dass es nicht einmal mehr die Lieferanten dafür gibt. Manchmal aber kann er antworten: »Ja, ham wa ja auch noch...« Dann zieht er eine von seinen vielen Schubladen auf, hält ein winziges Teilchen hoch und sagt: »Meinen Sie das?« Und dann beginnen die Augen der Kunden zu leuchten, als wäre der 20-Cent-Artikel ein ganz wunderbares Weihnachtsgeschenk. Es ist selten, dass Herr Czeslik tatsächlich eine betrübte Miene aufsetzen muss, wenn ein Kunde nach etwas fragt. Das geschieht eigentlich nur dann, wenn er etwas über viele Jahre gehortet und »erst kürzlich aus dem Sortiment genommen« hat. »Es gibt Artikel, die dreißig Jahre da rumliegen, und die man irgendwann einfach nicht mehr sehen kann!« Dann wirft man es weg, und am nächsten Tag steht einer im Laden und fragt danach. »Das ist dann eben Schicksal!« Und das zeigt sich immer wieder einmal. Weil es damals, als die Bastler-Zentrale noch so etwas wie ein Heimwerkerbedarf war, und als der alte Herr Ryck hinten im Hof der Nummer 57 noch die Schreinerei und ein großes Lager hatte, einfach alles gab: Spanplatten, Leisten, Hölzer, Eisenwaren, Farben und Tapeten, Werkzeuge, Papierwaren...- Sogar Resopal hatten sie, das die Leute sich dann selbst auf die Sperrholzplatte klebten. Und den so genannten »Wulstumleimer«, der die verräterischen Ränder, an denen das billige Sperrholz sichtbar wurde, mit einem Gold- oder Silberrahmen einfasste, so dass das dreibeinige Blumentischchen dann aussah, als käme es vom Ku´damm. Foto: Dieter Peters
In der Vorweihnachtszeit »bauen wir den Laden einmal komplett um, dann sieht´s hier aus wie beim Nikolaus«: Tannenzapfen, Kerzen, Wachs zum Verzieren, Schnitzereien, Gold- und Silberpapier für Weihnachtssterne, kleine Schächtelchen und geflochtene Körbchen. Kinder kommen nach der Schule und legen ihr Taschengeld auf den Tisch, um sich mit Glitzerstaub, Kleber oder farbigem Karton auszurüsten. Auch die Eltern kommen und kaufen Weidenkörbe, um Wein und Wollsocken für den Ehemann zu drapieren, kaufen hölzerne Figuren für das Krippenspiel, Weihnachtssterne aus Stroh, Kleinigkeiten für den Adventskalender. Weihnachten ist Hochsaison. Deshalb hat Czeslik neben mehr oder weniger Lebensnotwendigem jetzt auch Berlin-T-Shirts in der Auslage. Für die Touristen. Schließlich muss »jeden Tag die Tür aufgehen und jemand reinkommen und was kaufen.« Aber große Sorgen bereitet ihm das nicht. »Wer einmal hier drin stand, kommt wieder!« Manchmal dauert es Jahre, aber irgendwann stehen sie wieder hier. Sie wissen, da am Mehringdamm, »da gab es doch mal solche....« - Norbert Czeslik lächelt wissend. Er ist da irgendwie hineingeschliddert. Aber es macht immer wieder Spaß.• |