Kreuzberger Chronik
November 2015 - Ausgabe 174

Essen, Trinken, Rauchen

Sas spricht Englisch


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von Saskia Vogel

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Als Sas die Tür des Coffeeshops schließen möchte, wundert sie sich, was für ein Widerstand sich da hinter ihr aufbaut. Damn fuck! Sie drückt noch einmal aggressiv nach und hätte dabei fast einen mageren Mann im Türrahmen eingeklemmt, die Stelzenbeinchen in Röhrenjeans, Trenchcoat und Frisur made in UK. Der junge Mann scheint keinen Schaden genommen zu haben: »Yes, nice« , krakeelt er in den Kaffeeladen, »how are you doing, it´s amazing, yeah.« Im Chapter One würdigen die Gäste den Popper mit Blicken: »You look great, yeah.« Genauer: Sie schauen für den Bruchteil einer Sekunde von ihren Mobile Phones hoch, danach versteifen sich die Nacken wieder über den Bildschirmen. Vielleicht ist ja eine Message von jemandem gekommen, der noch besser aussieht!

Das Chapter One in der Mittenwalder Straße kommt Sas vor wie die analoge Real-Life-Übersetzung der Singlebörse OkCupid.com, wo sich diejenigen Short-Time-Dater um den Verstand chatten, die sich weltweit für beautiful People halten. Obwohl der Berliner bei OkCupid.com Deutsch spricht, füllt er sein Profil selbstverständlich auf Englisch aus und schreibt sich auch so an: »We need to get in touch, what a killer smile you have!« Manch einer aber hat Chapter One seines Englischlehrbuchs leider nicht richtig gelesen: »I read your tolles foto, Du hast ein fancy face.« Regelmäßig informiert das System den User: »Things are heating up!« Zu realen Treffen kommt es trotz aller Hitze jedoch selten. Dazu sind »Starlight« & Co. dann doch too busy als Kunstdirektoren in ihren Werbeagenturen: »Saturday? No Chance.«

Dabei wäre das »Chapter One« ein perfekter Ort für ein Date oder »casual sex« unter den unbequemen Hockern. Die Gästefrequenz ist hoch und schnell, ein rasches Verschwinden („logging out« ) bei gegenseitigem Nichtgefallen also umstandslos möglich: Just quit it! Die Menschen looken good, sind viel beschäftigt und sprechen Englisch.

„I am quite busy« , säuselt das Tresenmädchen ins Handy, »but on t-h-ü-r-s-d-ä-y we meet here and go for lunch.« Das ist auch dringend notwendig, denn außer Croissants hat die Karte im Chapter kaum Essbares zu bieten. Zum seifigen Kräutertee wurde Sas nicht einmal ein Keks gereicht, definitly eine Frechheit, das lieblose Täss-chen für 2,40! Preise wie in London, auch wenn die »Latte«-Milch natürlich vom Ökodorf Brodowin kommt.

Muttermilch von der Brandenburger Kuh möchte auch der junge Popper. »Yeah, Yeah, with a double shot pl-iii-se!« krakeelt er gegen die Elektrobeats an, die durch den Coffeeshop wummern. Sas checkt inzwischen ihre OkCupid-Nachrichten. »Thursday? Sorry, too busy :-/« , schreibt »JojoCarl« und grinst sich mit »Emotions« einen ab. »May be monday?« Aber monday hat Sas keine Zeit: »Denn there« , schreibt sie zurück, »is the Chapter One fucking damn quite closed.«

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