Kreuzberger Chronik
Mai 2015 - Ausgabe 169

Geschichten & Geschichte

Die alten Kreuzberger Bäder


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von Werner von Westhafen

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Wo die ersten Bewohner des Berliner Urstromtals sich ihrer Felle entledigten und ins Wasser der Spree stiegen, ist nicht überliefert. Wahrscheinlich suchten sie eher die seichten Stellen und Furten des Flusses zum Baden auf, an denen Jahrhunderte später Brücken entstanden.

Ebenfalls einige Jahrhunderte später bot auch der Landwehrkanal eine Bademöglichkeit. Eine beliebte Badestelle befand sich bei der Kottbusser Brücke, die damals noch »Leichenbrücke« hieß, da ständig die schwarzlackierten Fuhrwerke der Bestattungsunternehmer auf dem Weg zu den Friedhöfen an der Bergmannstraße über die hölzerne Zugbrücke polterten. Sonntags warteten auf beiden Seiten der Brücke »ganze Rudel von Jungen« darauf, nach der Durchfahrt eines Kahns die hochgezogenen Brückenteile mit lautem Geschrei wieder »herunterzutrampeln«. An warmen Sommertagen sprangen sie hier ins Wasser, denn zwischen der Brücke und der Gasanstalt war das »Freibaden« im Kanal, der sich nahe der Akzisemauer entlangzog, ausdrücklich erlaubt. Da die genehmigte Badestelle allerdings ebenso weit vom Kottbusser wie vom Halleschen Tor entfernt war, schlugen die Badefreunde kurzerhand Löcher in den steinernen Wall, um sich den Umweg durch die Stadttore zu ersparen.

Besonders beliebt bei den ersten Berliner Schwimmern war eine Untiefe bei der Grünauer Straße. »Dort war der Kanal so flach, dass große Jungen hindurchwaten konnten.« Doch das Baden war an dieser Stelle »bey harter Ahndung untersagt«. Wer dennoch ins Wasser sprang, sollte »sofort arritirt werden« , weshalb die Schwimmer, sobald auf der Kreuzberger Seite ein Beamter der »Wasserpolacken« auftauchte, auf die Rixdorfer Seite flüchteten, wobei »die Großen die Kleinen auf den Schultern reiten ließen« . Die wiederum transportierten über ihren Köpfen die Kleiderbündel.

Neben den wilden Badestellen gab es jedoch auch Badeschiffe und Schwimmanstalten. Schon 1803 wurde das Welpersche Badeschiff an der Spree eröffnet. Das luxuriöse Bad mit den kleinen Badezellen war von griechischen Säulen flankiert, die Gäste in der Ersten Klasse waren von Papiertapeten, Mahagoni und Deckengemälden umgeben, die Lampen waren aus Alabaster, die Kleiderhaken vergoldet. Einen Thaler kostete das Warmbad in der Ersten Klasse, der Eintritt in die kalten Bäder der Vierten Klasse kostete dagegen nur zwei Silbergroschen.

So kam das Baden allmählich in Mode. Einhundert Jahre später gab es in Berlin neben den ersten Hallenbädern insgesamt 14 Flussbadeanstalten. Gleich mehrere von ihnen lagen im Südosten der Stadt, dem heutigen Kreuzberg. Auf Holzpfählen in der Spree stand seit 1817 der imposante Bau der Militärbadeanstalt des Generals Pfuel (vgl. KreuzbergerNr. 49), am Ende der Cuvrystraße wurde eine »Doppelbadeanstalt« für Männer und Frauen, und bei der Lohmühlensinsel sogar ein Wellenbad eröffnet. Auch an den Kanälen wurden Badeanstalten eingerichtet: am Wassertorplatz entstand das Luisenbad und im Engelbecken trotz erheblicher Bedenken des Pfarrers der gegenüberliegenden St. Michael Kirche die Auerbachsche Schwimmanstalt.


Die Doppelbadeanstalt an der Cuvrystraße. um 1900


Hinzu kam im Revolutionssommer des Jahres 1848 ein Vorläufer der Strandbäder – auch wenn der Strand noch aus Wiese bestand: In der Ratiborstraße lag das Studentenbad, die so genannte »Stute« , die an warmen Sommertagen so überfüllt war wie das heutige Prinzenbad. Das Studentenbad, das unter dem Motto »Lieber ein kleines Bad als gar kein Bad« eröffnet wurde, bestand aus ein paar hölzernen Bretterbuden zum Umkleiden im Schatten hoher Bäume, einem flachen Uferstreifen und einigen Leitern, die ins Wasser führten. Besonders beliebt bei den Studenten waren ein Steg und eine Reihe hoher Pfähle, die einst den Schiffern zum Vertauen ihrer Kähne gedient hatten und nun den Mutigsten als Sprungbrett dienten.

Das Bad lag an jener Stelle, wo der Kanal im rechten Winkel zur Lohmühleninsel in die Spree abbog und ein kleines Becken bildete, in das später noch der Neuköllner Schifffahrtskanal mündete. 1916, als die Emanzipation der Frau auch im preußischen Berlin erste Erfolge zeigte, wurde endlich auch Studentinnen das Baden erlaubt - was die Beliebtheit des Bades nicht nur bei den Studenten noch einmal gewaltig vergrößerte. Die »Stute« war mehr als 100 Jahre alt, als sie 1954 unter lauten Protesten von der Baupolizei geschlossen wurde. Kreuzbergs Bürgermeister Willy Kressmann versprach zwar, es bald wieder zu öffnen, doch selbst »Texas Willy« konnte sich bei der Bezirksverordnetenversammlung nicht durchsetzen. Schon damals fehlte es in den Berliner Kassen an Geld, der Cowboy scheiterte an 250.000 Mark. Doch noch heute liegen an schönen Tagen Studentinnen und Studenten auf den alten Liegewiesen. •



Das Studentenbad am Kanal




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