Juli 2015 - Ausgabe 171
Reportagen, Gespräche, Interviews
Kreuzberg zu Verkaufen (4): Das Dragoner Areal von Horst Unsold |
Das bereitet nicht nur kritischen Kreuzbergern Sorge, die in Piepgras von Anfang an einen Strohmann vermuteten, der vorgeschoben wurde, um mit schönen Plänen den Bund zum Verkauf zu überreden. Auch beim Berliner Senat wurde man stutzig und hat im Bundesrat die Pläne der Bundesregierung erst einmal durchkreuzt. Zu deutlich haben die Berliner noch das Desaster des Viktoria-Quartiers auf dem Gelände der Schultheissbrauerei vor Augen, in dem die Berlinische Galerie einziehen und die historische Kreuzberger Mischung von Wohn- und Arbeitsräumen in die Gegenwart transferiert werden sollte: Nachdem die Kultur begraben war, setzte die Baywobau auf jeden freien Quadratmeter zwischen den historischen Gebäuden Eigentumswohnungen. Der geplante öffentliche Raum wurde zur »Gatet Community« mit separaten, abschließbaren Zugängen zum Viktoriapark. Ein einziger Alptraum. Am 25. Juni sollte im Finanzausschuss des Bundesrates eine endgültige Entscheidung über das Quartier fallen. Doch seitdem herrscht Stille. »Wahrscheinlich ist man noch mit internen Verhandlungen beschäftigt.« , sagt der Steinmetz vom Marmorwerk Wedig. Vor 40 Jahren hat er in einer der historischen Backsteinhallen eine gewaltige Steinsäge aufgestellt, um Marmor aus Carrara oder Granit aus Brasilien zu zersägen. Wedig vermutet, dass da irgendein Tauschgeschäft zwischen Bund und Land ausgehandelt wird. Was aus den Altmietern auf dem Gelände werden soll, ist bei diesen Verhandlungen nebensächlich. Große Hoffnungen macht sich hier keiner mehr. Der Bund will verkaufen, er braucht Geld. Schon 2011 präsentierte er deshalb das so genannte Dragoner Areal auf der Expo Real in München. 2012 kaufte die ABR German Real Estate aus Hamburg das Land hinter dem Finanzamt für 20 Millionen, trat aber 2014 angeblich »wegen fehlender Planungssicherheit« vom Kaufvertrag zurück. Also verkaufte der Bund noch einmal an den Meistbietenden: An Arne Piepgras und seine Geldgeber. Für 36 Millionen Euro. Als vor einigen Jahren die Translag- seit den Zwanzigerjahren Generalpächter auf dem Gelände - in Konkurs ging und sich die Republik als Besitzer des Grundstückes hinter dem Finanzamt zu Wort meldete, wurde es ungemütlich. Der KFZ-Meister Kühn, der seit 30 Jahren hinter dem Finanzamt seine Werkstatt hatte und so etwas wie der Bürgermeister des Autoschrauberdorfes war (vgl. Kreuzberger Nr. 96 vom April 2008), musste gehen. Ebenso wie alle anderen, die sich in den ehemaligen Ställen und späteren Garagen eingerichtet hatten. »Auf einmal waren die Brandschutzbestimmungen, die 100 Jahre gegolten hatten, nicht mehr ausreichend. Oder die Garagen waren plötzlich einsturzgefährdet. Jedenfalls wurde allen gekündigt.« Foto: Dieter Peters
Am 25. Juni kamen sie alle noch einmal zusammen. Stadt von Unten, ein breites Bürger-Bündnis gegen Privatisierungen des öffentlichen Raumes, hatte zu einer Demonstration aufgerufen, die vom Marheinekeplatz zum Dragoner-Areal führte. Am gleichen Tag nämlich, so hatte der Tagesspiegel im Mai geschrieben, sollte der Finanzausschuss des Bundesrates darüber entscheiden, ob das Areal nun an die EPG Global Property Invest verkauft wird, oder ob nicht vielleicht doch der Senat das Gelände kaufen darf - allerdings zu einem Vorzugspreis: Nämlich dem sogenannten Verkehrswert. Foto: Dieter Peters
Tatsächlich veröffentlichte die Senatsverwaltung um 13.43 Uhr eine Meldung, aus der hervorging, dass das Thema »kurzfristig» auf die Tagesordnung gesetzt worden sei. In den Gesprächen habe der Senat abermals angezweifelt, dass der Investor »sozialverträgliches Bauen» garantieren könne und sich gegen einen Verkauf ausgeprochen. Der Senat möchte anscheinend lieber selber bauen. Ob aus finanziellem Kalkül oder moralisch-politischer Verantwortung, wird sich noch zeigen.• |