Februar 2015 - Ausgabe 166
Geschäfte
Die Veganer kommen von Michael Unfried |
Wir haben den Krieg überlebt, dann werden wir auch die Biomärkte überleben«, sagte 2006 Angela Spreu von der Haushaltswarenabteilung in der Marheinekehalle. Sie hat die Rechnung ohne Jan Bredack gemacht. Der ehemalige Daimler-Manager wird jetzt mit einem veganen Sortiment in die Halle einziehen. Schon im Dezember kam er zum Ausmessen. Der Investor hat einiges vor: Glaswände und eine eigene Klimaanlage sollen im ersten Stock installiert werden, ein kompletter Supermarkt. Was genau Jan Bredack und seine Mitarbeiter in die Kreuzberger Regale räumen werden, bleibt bis zur Eröffnung der Filiale ein Geheimnis. Sicher ist, dass kein noch so kleines Tier hier eine Spur hinterlassen darf: Im veganen Wein findet sich kein Milligramm Eisweiß, in der veganen Wollmütze kein noch so winziges Schafhaar. Veganer wollen beileibe keinem Tier zu nahe treten. Vollkommen verpönt unter den Veganern sind Käse und Fleisch - seien sie auch noch so biologisch. Da aber der Mensch ein Gewohnheitstier ist und sich seit Jahrtausenden nicht nur von Wurzeln und Blättern, sondern auch von Fischen und Landtieren ernährt, sodass ihm schon beim Bratenduft das Wasser im Munde zusammenläuft, mussten sich die Pflanzenesser etwas einfallen lassen und ersetzten die Schweinewürstchen durch Sojawürstchen, den Schafskäse durch Tofukäse, den Hamburger durch den »Wilmersburger«. In den Veganz-Regalen gibt es all das, was der ehemalige Fleischesser einst so liebte: Einen »Veggie-Döner«, eine »Veggie-Bockwurst« und ein »Western Steak«. Sogar vegane Weihnachtsgänse soll es gegeben haben. Und garantiert grätenfreie Fischstäbchen ohne Fisch, die höchstens noch eingefleischten Fischliebhabern im Halse stecken bleiben. Es gibt kleine Garnelen der Marke Lord of Tofu und es gibt Riesengarnelen der Marke Veggie, die noch riesiger und noch rosafarbener aussehen als die hochgezüchteten Examplare aus thailändischen Fischfarmen. Eingeschweißt in Plastikfolie sehen die wurmartigen Geschöpfe der Veganer noch unappetitlicher aus als die verachteten biologischen Vorgänger, und die aufgeführten Inhaltsstoffe »Wasser, Verdickungsmittel … Farbstoff und künstliches Aroma« sind auch keine Appetitanreger. Die veganen Hühnchen und Enten sehen unter der Klarsichtfolie ebenso tot aus wie die vakuumverpackten Vogelleichen bei Netto oder Penny. Auch die aus Amerika eingeflogene Pizza und die vielen Käsesorten auf Nuss-, Kartoffel- oder Erbsenbasis sind luft- und duftdicht verpackt. Der vegane Supermarkt ist geruchsneutral und steril wie die Intensivstation. Appetit anregend ist der Anblick des Gemüses, das auch ohne Plastikfolie so grün und frisch aussieht, als habe man es gerade hinter dem Haus gepflückt. Auch die Glasbehälter mit Nüssen, Mandeln, Hanfsamen und Körnermischungen können die Herzen eingefleischter Vegetarier höher schlagen lassen. Aber ein Blick auf die kleinen Schildchen mit den großen Zahlen holt sie zurück in die Wirklichkeit. Auch das vegane Müsli ist nicht billig. Zwar findet sich im gro-ßen Sortiment ein »Basismüsli« für 2,79 das Kilo, aber die 325 Grammpackung des »Vegan-Plus Müsli« kostet schon 3,99. Die besonders exotische Variante des »Chufli Tibet Müsli« der Firma Govinda mit Erdmandeln schlägt sogar mit 6,95 zu Buche. Auch das »Alles Klar – Aha! – Ich verstehe« Knusper-Müsli der Firma Hari Crunchy, oder das beliebte »Luft und Liebe Müsli« haben exotische Preise. Ebenso wie das »Lets Rock« nach »Ayurveda Rezeptur«- dafür »macht es den Tag zum Freund«, so wie einst der Joint. Doch nicht nur an die Althippies, auch an die Haustiere haben die Veganzer gedacht. Für die beliebten Vierbeiner haben sie säckeweise Trockenfutter in praktischen Vorratspackungen von bis zu 20 Kilogramm. Und zur Befriedigung des tierischen Jagd- und Beißtriebes haben Bredack und Kollegen »Kauigel« und »Kaukrokodile« ohne die geringsten Tierrückstände im Sortiment. »Wauw!« Obwohl die Veganer von Veganz betonen, das »Leben« zu »lieben«, gibt es 5 Sorten Apibul-Sekt ohne Alkohol im Regal, aber nur eine Sorte Sekt aus garantiert fleischfreien Weintrauben mit Prozenten. Und in der Haushaltsabteilung finden sich neben Spülmaschinentabletten und WC-Reinigern auch 18-cm-Kondome fürs tierische Vergnügen mit fünf verschiedenen Fruchtgeschmacksrichtungen von »Glyde Health Pty. Ltd., einer 100% australischen Firma«, die garantiert, dass nicht einmal bei der Kautschukgewinnung tierische Produkte verwendet wurden. Damit das Vergnügen ungetrübt ist. Auch in der Lifestyle-Abteilung gibt es so Erstaunliches wie vegane Schlüsselbänder für 6,95 oder die »Kochen-ohne-Knochen-Stofftasche« für 3 Euro. Am schönsten ist die »Veganblume« aus der Schmuckabteilung für 24,90, ein »Hingucker bei Kleidungsstücken mit Ausschnitt!«, und so etwas wie das Clubabzeichen der Veganer. Denn: »Personen, die mit der Veganblume gekennzeichnet sind, sind garantiert vegan - geregelt nach den Kriterien der englischen Vegan Society.« Das Faible fürs Englische ist keine Modeerscheinung, auch keine Reminiszenz an die multikulturelle Berliner Gesellschaft. Das Unternehmen möchte in den nächsten 15 Jahren 60 Filialen in Europa und den USA eröffnen, da ist Englisch Amtssprache. Die Filiale in der Markthalle ist nur ein Etappenziel auf dem Weg ins fettleibige Amerika. In einem Intervies gestand Bredack, dass man mit den Filialen in Deutschland noch immer keine schwarzen Zahlen schreibe. Doch das stört einen Großhändler wenig. Schließlich tauchen die schwarzen Zahlen im Businessplan erst ganz am Schluss, unter dem Strich, auf. • |