Oktober 2014 - Ausgabe 163
Kanzlei Hilfreich
Hanni und Manni von Kajo Frings |
Jens Hilfreich hat den ersten großen Fall. Aber es wird nichts daraus. Hanni lebte seit kurzem mit Manni zusammen in ihrer Altbau-WG. Manni war einen ganzen Kopf größer als sie; sie glich das durch High Heels wieder aus. Seitdem Manni bei ihr wohnte, trug sie immer öfter auch abends im Riehmers, der Kneipe mit Tanzfläche, Sonnenbrille. So versteckte sie verschämt das, was man gemeinhin »Veilchen« nannte. Jens kam mit ihr ins Gespräch, ob so ein Zusammenleben wirklich gesund sei. Ach, meinte Hanni, »der Manni ist ein ganz Netter, nur wenn er Alkohol getrunken hat, dann wird er immer so empfindlich; ein falsches Wort und er haut zu. Aber am nächsten Morgen ist er wieder ganz niedlich, dann kniet er vor mir und lackiert meine Fußnägel«. Jens dachte, guter Rat ist ihr zu teuer und meinte nur: »Am besten verkneifst du dir in Zukunft die falschen Wörter.« Ein paar Tage später kam Hannis WG-Genosse Franz aufgeregt ins »Riehmers« und stürzte auf Jens zu. »Gut, dass man weiß, wo man dich finden kann, wenn du weder im Büro noch zu Hause ans Telefon gehst. Es ist was Schlimmes passiert«. Jens fragte: »Hat Manni sie zusammengeschlagen?« - »Nein, sie ihn.« - »Ach du spinnst.« - »Nein, ich habe es ja selbst gesehen. Gestern abend war Manni so was von schlecht drauf, Hanni sagt was Blödes zu ihm, und da geht er ab wie ein Zäpfchen. Wir standen zu viert daneben und haben uns echt nicht getraut, einzugreifen. Hanni lag schon nach dem ersten Schlag auf dem Boden; bevor sich Manni auf sie stürzte, konnte sie sich aber noch einen Schuh ausziehen und mit dem Absatz auf seinen Kopf einschlagen. Das ging zig Minuten lang so, sie schlug wie wild auf ihn ein. Irgendwann konnten wir ihn aus ihren Klauen befreien, und dann torkelte er aus der Wohnung.«- »Und wo ist Hanni jetzt ? Im Krankenhaus?« - »Nein, in der Gothaer«. Er meinte die Polizeihaftanstalt in der Gothaer Straße. »Die Bullen waren vorhin in der Wohnung und haben sie mitgenommen. Manni wurde heute früh tot am Landwehrkanal gefunden, Gehirnblutung.« - »Okay«! Jens war in seinem Element. »Ich brauch Namen, Adressen der Zeugen und Telefonnummern, damit sie gleich schon vor dem Haftrichter aussagen können. Wenn es Notwehr war, müssen sie Hanni rauslassen.« Jens schwang sich auf seinen Motorroller und raste zur Haftanstalt. Hanni saß schon im Zimmer des Haftrichters. Bevor Jens zum Plädoyer seines Lebens ausholen konnte, meinte der Richter: »Sparen Sie sich die Worte, Herr Anwalt, die Obduktion hat ergeben, dass das Loch im Kopf des Toten so klein ist, dass es unmöglich vom Schuh ihrer Mandantin stammen kann. Also kein dringender Tatverdacht, kein Haftgrund.« Auf der Straße meinte Hanni »Ich weiß nicht, ob ich heulen oder vor Freude tanzen soll.« Jens blieb pragmatisch: »Dann mach doch am besten gleich beides.«• |