Oktober 2014 - Ausgabe 163
Herr D.
Der Herr D. und der Porschefahrer von Hans W. Korfmann |
Warum der Herr D. keinen Erfolg hat Der Herr D. hatte Lust auf eine Currywurst und ging zum Mehringdamm Nummer 36. Schon von weitem verging ihm der Appetit. Seit die Würstchenbude in jedem Reiseführer ein Geheimtipp war, musste man Wartezeiten in Kauf nehmen, in denen Menschen wie der Herr D. verhungerten. Der Herr D. sah sich nach einem Dönerladen um. Früher gab es die an jeder Kreuzberger Ecke, mehr als in Istanbul. Heute gab es nur noch Cafés. Der Herr D. lief und lief, aber auch der Döner in der Zossener Straße hatte geschlossen, seine Laune verschlechterte sich rasant. Da traf er den Nachbarn. Den Neuen aus dem 2. Stock. Den mit dem Porsche. »Na, Sie müssten jetzt aber ziemlich gute Laune haben!« »Wieso denn das?«, knirschte der Herr D. »Weil der Bürgermeister zurückgetreten ist! Dafür haben Sie doch zehn Jahre lang gekämpft. Hat ihre Nachbarin gesagt!« »Das waren exakt zehn Jahre zu viel. Jeder Tag, an dem dieser Mann regierte, war ein schwarzer Tag für Berlin. Dieser Mann hat Tausende von Kreuzbergern aus ihren Wohnungen gedrängt, und es gibt keinen einzigen Döner mehr in der Gegend. Vor der Currybude, an der er früher selbst noch in die Wurst gebissen hat, muss man eine Stunde in der Schlange stehen. Und alles nur wegen dieser Porschefahrer, die überall Cafés und Restaurants und Klamottenläden eröffnen.« »Haben Sie vielleicht Hunger? Da drüben, in der Obentraut, bei den Schraubern, gibt’s noch nen Döner!« »Woher kennen denn SIE den?« Während sie in die Obentrautstraße spazierten, sagte der Neue: »Der Flughafen hat ihm das Genick gebrochen.« »Nee, Tempelhof hat ihm das Genick gebrochen! Der Volksentscheid war ein Volksentscheid gegen Wowereit. Und da haben die Parteigenossen ihre Daumen sofort nach unten gedreht.« »Und was kommt Ihrer Meinung nach jetzt?« »Seit Willy Brandt ging es bergab: Momper, Diepgen, Wowereit, das war ein rasanter Abstieg. Und so wird es nach dem Dezember auch weitergehen: bergab. Der Nachfolger wird brav das Werk seiner Vorgänger fortführen, er wird auch noch das letzte Stück Stadt an Privatmänner verkaufen, die letzten Dönerläden und Pommesbuden, die letzten Häuser, die letzten Wasservorräte, Gasleitungen, Autostraßen, Schwimmbäder, Sporthallen, Parkanlagen und Grünflächen. Berlin wird bald nur noch aus Mauern und Zäunen bestehen. Und wenn sich die 17.000 Berliner SPD-Mitglieder tatsächlich für Müller entscheiden, dann sehe ich auch schwarz für Tempelhof. Keiner wollte auf dem alten Flughafen so viel bauen wie Bausenator Müller. Und keiner hat ganz bewusst so viel Unsinn verbreitet wie er. Aber wie die Wahl auch ausgeht: Auf jeden Fall geht es bergab. Und die einzige offene Frage ist, in welchem Privatunternehmen und in welchem Jahr unser Berliner Bärli dann als Vorstand auftaucht.« • |