Februar 2014 - Ausgabe 155
Kanzlei Hilfreich
Die erste Wohnung von Kajo Frings |
Der Münchner Anwalt ens Hilfreich zieht nach Berlin, um eine Kanzlei zu eröffnen. Mitten im verrufenen Kreuzberg. Jens Hilfreich war 30 Jahre alt und seit 6 Monaten Anwalt, als er im September 1982 in der Neuen Juristischen Wochenzeitung auf folgende Anzeige stieß: »Anwaltskanzlei zu verkaufen. Nähe Rathaus Kreuzberg«. Er nahm den Nachtzug nach Berlin. Die Kanzleiräume waren heruntergekommen, das Gespräch mit dem Kanzleiinhaber Dr. Mensing kurz: Einstieg zum nächstmöglichen Termin, einen Monat Einarbeitung und Übernahme der Sekretärin. Der Preis: Ein Jahresumsatz in bar! Die Barzahlung hatte ihren Grund: Dr. Mensing wollte verschwinden. Seiner geschiedenen Ehefrau musste er Unterhalt zahlen, seine Geliebte hatte er kostspielig aus Ostberlin schmuggeln lassen. Also tauschte er eine Kanzlei in Kreuzberg gegen eine Kneipe in Kalifornien. Und die sollte Hilfreich finanzieren, der von Kanzleiführung soviel Ahnung hatte wie vom Befeuern eines Kachelofens. »Wenn Sie Zweifel haben, gehn Sie doch ins Rathaus Mittagessen!«, riet die Sekretärin. Nach dem Blick aus der Kantine im 13. Stock des Rathauses stand die Entscheidung fest. Im November zog er um. Bei Hilfreichs erstem Rechtsstreit ging es um ein Problem zwischen Dr. Mensing und dem Vermieter von Mensings Privatwohnung. Mensing hatte die stattliche Altbauwohnung mit Stuck durch Paneele in eine ebenso energieeffiziente wie »moderne« Behausung verwandelt. Jetzt suchte er einen Nachmieter, der für die Hässlichkeit Abstand zahlen sollte. Hilfreich lernte schnell, dass Wohnpreisbindung und Abstandszahlung zusammengehörten wie »Berlin« und »Zulage«. Der Vermieter aber durchkreuzte die Pläne des Anwalts, Mensing zog ohne Abstandszahlung aus. Nicht, ohne die Paneele zu entfernen, das dahinter liegende Wasserrohr durchzusägen und die Paneele wieder anzubringen. Während er sich auf dem Weg von TXL nach LAX befand, stellte der neue Bewohner das Wasser an. Die Schadenersatzklage des Vermieters wegen der Totalrenovierung von 6 Wohnungen ging in Hilfreichs Kanzlei ein. Hilfreich wies sie mit dem Vermerk »Mandatsverhältnis beendet. Beklagter unbekannt verzogen« zurück. Auch Hilfreich hatte ein Problem mit seiner Privatwohnung. Das Problem hieß Emil. Emil Dresen war ein gesuchter Kleinganove, der aufgrund eines Tips in seiner Stammkneipe festgenommen wurde. Als man ihn abführte, warf er Horst, dem Wirt, seinen Wohnungsschlüssel zu und rief: »Kümmere dich um Satan«. Im November 1982 wurde Emil zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt. Ebenfalls im November ging der junge Anwalt Hilfreich just in dem Moment an Emils Stammkneipe vorbei, als der Wirt einen Zettel aufhängte: »Wohnung ohne Abstand aber mit Kater zu vermieten«. Eine Viertelstunde später war der Mietvertrag zwischen Horst Brandt als Vermieter und Jens Hilfreich als Mieter geschlossen. 4 Jahre lang zahlte Hilfreich regelmäßig die Miete an Horst - und fütterte Satan - bis eines Morgens Emil Dresen vor der Tür stand ... Aber das ist eine andere Geschichte. • |