Dez. 2014/Jan. 2015 - Ausgabe 165
Essen, Trinken, Rauchen
Sas hat es satt von Saskia Vogel |
In deutschen Großstädten sei eine »Burger-Bewegung losgebrochen«, schrieb der Spiegel. Der Trend ginge zu Edelläden und raffinierten Bio-Burgern. Billige Brötchen mit Cocktailsoße zwischen den Hälften seien dem »Burger Spirit« nicht angemessen. Ich auch, dachte Sas. Zwei Tage später saß sie beim Bergmann Burger, im »Keller des guten Geschmacks«. Früher gab es in diesem Souterrain der Bergmannstraße gut gelungene Pizza. Jetzt hatte der Laden aufgerüstet und besaß sogar eine Speisekarte. Doch die erschließt sich Sas trotz Germanistik-Studiums nicht. Erste Frage: Warum wird der »Grimm-Märchen-Burger« mit »Mexican-creme« [sic!] serviert und der »Goethe-Burger« mit ordinären Zwiebeln und »Mahhhjooo«. Auf Sas´ Halloumi-Burger ist auch ordentlich «Mahhhjooo« drauf, und nicht etwa orthografisch korrekte »Mayo« oder »Mayonnaise«. Man könnte sagen, der Bürger [sic!] klebt geradezu vor Cocktailsoße. Zweite Frage: Weshalb wird auf der Speisekarte Hack mit Literatur vermengt? Der Schillerburger, ein in Kreuzberg gegründetes und viel geachtetes Burger-Imperium, nennt seine Fleischklops-Brötchen »Wallenstein« und »Maria Stuart«. Hat es also vorgemacht. Und der Bergmann Burger jetzt offensichtlich nach. Trotz allder Anlehnungen an die Poesie: Im Keller vom Bergmann Burger riecht es nach Bratfett. Die Süßkartoffel-Pommes sind salzig, die Cocktailsoße ist süßlich. Der Dienst habende Hackfleisch-Brater aber ist ganz nett. Er schneidet Sas´ Burger mit der dünnflüssigen »Mahhhjooo« in mundgerechte Stücke, damit sie ihn essen kann, ohne die neue Jacke zu bekleckern, die sie gerade nebenan in dem Secondhandladen erstanden hat. Dann beginnt er mit dem üblichen Kreuzberger »Die da oben, wir da unten«- Lamento. Damit auch klar ist, dass das hier ein echter alternativer Laden ist. Sas hört weg. Sie will nicht wissen, wer »Millionen auf dem Konto bunkert«, während »unsereins« ehrlich arbeiten geht. Sie möchte kein Gespräch wie an der Pommes-Bude führen, sie hat diese Gespräche sowas von satt! Und den Burger hat sie auch satt. Pappsatt. Für Sas ist der Burger-Trend keine Option. Brot, Käse und Soße liegen ihr einfach viel zu schwer im Magen. Ob artgerechtes Neuland-Fleisch oder Hackepeter aus dem Slaughterhouse: Das Sodbrennen macht ihr zu schaffen. Die junge Generation der »Mittzwanziger mit ihren Wollmützen und Sneakern« hingegen scheint noch frei von Refluxbeschwerden zu sein. Aber was noch nicht ist, kann ja noch werden. Jetzt allerdings sitzt sie noch gut gelaunt im Souterrain der Bergmannstraße, bestellt sich ohne Rücksicht auf die Gesundheit Pommes und Hack und tippt Gutgelauntes in ihr Handy. Irgendwie, denkt Sas, gab es in Kreuzberg einmal echte Alternativen. Aber dieser Bergmann Burger war keine Alternative. Sas beschließt, sich lieber irgendwo eine Pizza zu suchen – möglichst weit weg von der Bergmannstraße. • |