Kreuzberger Chronik
August 2014 - Ausgabe 161

Geschichten & Geschichte

Oskar und das House On Fire


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von Heide Tomiak

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Oskar wurde mir vom Galeristen Jes Petersen im Zwiebelfisch vorgestellt. Er trug, was er eigentlich immer trug, Trenchcoat, Schiebermütze, Krawatte und eine ernste Miene zum verschmitzten Blick. Dazu passte sein Gentlemangebaren und dieses leichte Staunen im Auge. Er hatte seine ganz eigene Art, sich gewählt auszudrücken, bedächtig zwar, aber nicht nervtötend-bedächtig.

Oskar fand es toll, Korn wie Wasser trinken zu können. Bier war möglich, doch Korn war sein Frühstück, sein Mittag und sein Abendessen. Erfuhr ich alles gleich in der ersten Stunde, und von Jes wusste ich, dass Oskar die meisten dieser «Mahlzeiten« in der Petersengalerie zu sich nahm.

Wir drei amüsierten uns bombig! Mit Jes zu kichern war das Leichteste von der Welt, doch auch Oskar war in seinem Element. Es war derart perfekt, dass ich uns in London als House on Fire hätte bezeichnen können.

Auch die lustigste Kneipe muss einmal verlassen werden, doch kaum draußen, schlug Oskar einen Absacker im Hegel vor. Für Jes und mich wenig, für Oskar aber so vertraut, dass ihm das Bier entgegengetragen wurde. Von einem Fan, der sich brennend für sein bewegtes Widerstandsleben interessierte, sich dann aber erst mal artig zurückzog. Oskar dankte und setzte sich gut gelaunt ans Klavier. Nachdem er es gestimmt hatte, legte er los. Das Spiel gefiel, und Ludschinka, die etwas rundliche, russische Wirtin, blickte wohlwollend in die Runde. Abrupt stoppte Oskar sein Spiel, trank das nächste Bier, um sich dann erneut ans Klavier zu setzen!

Aber da nahte Ludschinka von hinten und schmiss ihm den Deckel vor der Nase zu. Jetzt blickte sie nicht mehr wohlwollend in die Runde, sondern böse auf Oskar. »Hin und her geht nicht!«, keifte sie lautstark. Ich fand das fies und überlegte mir, wie man diese Frau, die es wagte, unseren Helden zu demütigen, bestrafen könne. Da fing Jes schallend an zu lachen, auch Oskar lachte und am Ende lachte das ganze House on Fire.

Ach die beiden waren schon süß zusammen, die reine Innig- und Einigkeit! Ob sie schon damals über die Stradivari sprachen, die Oskar Jes fünf Jahre später hinterlassen würde?

Jes hat sie mir später mal gezeigt und gestanden, dass es Zeiten gab, in denen er sie für »möglicherweise echt« gehalten hatte. Ich musste lachen, denn so viel Optimismus hätte ich ihm nun doch nicht zugetraut. Er lachte auch, trotzdem denke ich, er hätte sie gern auch weiterhin für »möglicherweise echt« gehalten. Nur leider konnte er‘s nicht lassen, sie einem Experten zu zeigen.

Dabei hätte gerade er doch wissen müssen, dass ein Überlebenskünstler wie Oskar auch ein begnadetes Schlitzohr sein musste.

Aber solange das Schlitzohr so ein liebenswürdiges Wesen und einen so edlen Charakter vorweisen kann, ist die Welt wohl noch in Ordnung. •


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