Kreuzberger Chronik
April 2014 - Ausgabe 157

Essen, Trinken, Rauchen

Vom Kommen und Gehen


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von Aura Cumita

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Am Heinrichplatz. Oben, über der Eintrittstür steht dunkelrot auf grünem Hintergrund »Taqueria Florian«. Smoker- oder Raucherkneipe. Seit über 20 Jahren. Vor dem Rauchverbot war dies auch noch ein Restaurant, jetzt ist es nur noch eine Kneipe. Und noch früher, vor der Wende, war es eine Fleischerei, sagt die Barkeeperin hinter dem alten Holztresen. Pai trägt einen kurzen, dunklen türkisblauen Pullover und bis zu den Ohren reichende, auf die linke Seite gekämmte schwarze Haare.

Pai hat zu tun, die Taqueria ist gut besucht, seit es kaum noch Raucherkneipen gibt. Alles ist dunkelrot und orange gestrichen, an den Wänden hängen große Schwarz-Weiß-Fotografien von unbekannten Männern. Auch der Boden ist mit schwarz-weißen Rauten bedeckt, Jazz kommt aus den Lautsprechern.

An dem Tisch neben dem Fenster sitzen vier Männer und unterhalten sich. Drei weitere setzen sich zu ihnen. Es scheint der Stammtisch zu sein, in der Mitte steht der große Aschenbecher. Sie treffen sich jeden Samstag hier. Seit einer von ihnen das irgendwann einmal vorgeschlagen hat.

Hinten, in der dunklen Ecke, gibt es zwei Sofas: ein goldenes und ein grünes. Auf dem grünen sitzt ein lässiges Paar und knutscht. Ein Mann mit Sportmütze, offener, khakifarbener Jacke und hellblauem Pullover kommt rein, bestellt sich einen Cappuccino, setzt sich an einen kleinen Tisch, öffnet ein Päckchen Gauloises und beschäftigt sich mit seinem Handy. Auf einer schwarzen Tafel stehen die Namen einiger Bands: Blue Monday, Nüscht, Isa, Square Dughnuts.

Eine Frau mit einem Rucksack kommt rein und nimmt sich die taz aus dem Ständer. Sie bestellt eine heiße Zitrone für 1.80. Das ist ein fairer Preis für eine heiße Zitrone. Sie liest und dreht sich nebenbei eine Zigarette. Auch sie kommt regelmäßig in die Taqueria, so wie die Männer am Fenster. Es ist alles so unaufgeregt hier. »Hier hat sich seit 20 Jahren irgendwie nix verändert!« Das ist schön.

Auch die zwei Frauen, die Blonde und die Schwarzhaarige, rauchen. Sie haben jede ein Päckchen Zigaretten vor sich, aber sie haben nur ein großes Bierglas, aus dem sie trinken. Auf dem goldenen Sofa liegt jetzt ein Mann mit Brille und Basecap und Zigarette und liest Harry Potter. »Eigentlich lese ich so was nicht «, sagt er, »das mach ich nur zum Deutsch-Lernen.« Der Mann ist Amerikaner. Aus Dallas, Texas.

Drüben, am Fenster, löst sich die Sieben-Männer Gruppe allmählich auf. »Bis später!« oder »Bis morgen!«, sagen sie. Es klingt gelangweilt, so wie an jedem anderen Tag auch. Es gibt keine großen Abschiede in der Taqueria. Sie kommen ja sowieso wieder. Nur manchmal fehlt plötzlich doch einer. Und kommt nie wieder. Das sind die Tage, an denen sie sich ein bisschen herzlicher voneinander verabschieden. Aber sonst verändert sich hier nichts, seit zwanzig Jahren schon.•


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