April 2014 - Ausgabe 157
Herr D.
Der Herr D. und die Geldwechsler von Hans W. Korfmann |
Es klingelte. Die neue Nachbarin aus Bielefeld stand vor der Tür, ihr Computer weigerte sich, sie mit dem weltweiten Netz verbinden. Der Computer des Herrn D. war kommunikativer, nach zehn Minuten bedankte sie sich überschwänglich. »Und wie geht es Ihnen so mit Ihrem neuen Job in Berlin?«, fragte der Herr D., als sie schon im Hausflur stand. »Ach«, sagte die Nachbarin, »ganz gut. Nur die vielen Polen und Russen stören mich. Bei uns in Bielefeld war das anders. Ich dachte, hier gäbs nur Türken. Die Türken mag ich ja, ich war sogar schon mal in Urlaub in Antalia, da müssen Sie auch einmal hin.« Wenig später saß er in der Markthalle und blätterte in der Zeitung. Er las, dass die Bandenkriminalität in Berlin drastisch zugenommen habe und die Stadt mit 50-Euro-Blüten überschwemmt werde. Neben dem Herrn D. sagte ein gut gekleideter Mann mit einem Stan-ton auf dem kahlen Schädel: »Ich sag dir, das ist die perfekte Geldwaschanlage. Du brauchst nicht mal einen Ausweis vorzeigen...« Der Herr D. dachte an die Nachbarin und sah verstohlen zu seinen Nachbarn. Die beiden Männer sprachen akzentfrei Deutsch, sie hätten Kreuzberger sein können - aber der eine trug einen echten Stenton, der andere einen eindrucksvollen Brillanten am Ringfinger. Und eine schwere, goldene Armbanduhr. Russisches Fabrikat. »Und wo ist das noch mal?«, fragte der mit der Golduhr. »Leipziger Straße. Kein Ausweis, keine Papiere, nichts! Du legst einfach deine Geldsäcke auf den Tresen, die schütten alles in eine Maschine, dann rattert es und rasselt es, der Automat spuckt ein paar falsche Fuffziger und ein paar Knöppe wieder aus, und dann erhältst du funkelnagelneue Scheine dafür. Alle geprüft, keine Blüten.« »Und welche Bank ist das noch mal?« Der Herr D. hörte so lang zu, bis der mit dem Brillie ihm einen kurzen, aber unvergesslichen Blick zuwarf. Der Herr D. begann, sich unwohl zu fühlen in seiner Stadt. »Deutsche Bundesbank. Aber du musst ne Nummer ziehen. Ich hatte gestern die 132. Das dauert. Hier laufen die Fäden zusammen. Du glaubst ja nicht, wer da alles sitzt! Da ist ganz Kreuzberg versammelt: Leute in guten und schlechten Anzügen, Leute mit Rucksäcken, Plastiktüten, Handtäschchen und Aktenkoffern. Und dann unsere ganzen Kollegen aus der U-Bahn, die Gitarristen, Geiger, Akkordeonisten, dazu noch Feuerschlucker, Bettler, Kleinkriminelle... und dann die ganzen braven Ladenbesitzer, die wochenlang ihr Kleingeld sammeln. Bei den anderen Banken müssen sie nämlich für das Wechseln was bezahlen. Oder die Münzen in kleine Röllchen einpacken, so ne Zählmaschine hat nicht jeder. Aber in der Leipziger ist alles umsonst. Und ohne Ausweis, das ist die perfekte Geldwaschanlage.« Der Herr D. schämte sich, so schlecht von seinen Nachbarn gedacht zu haben. Und beschloss, den Straßenmusikern in Zukunft nur noch Scheine zu geben. Damit sie nicht so lange warten mussten.• |