Oktober 2013 - Ausgabe 152
Essen, Trinken, Rauchen
Gonçalo Bom von Hans W. Korfmann |
Wenn Herr Dias an die kleinen Tische vor seinem kleinen Lokal in der Heimstraße tritt, dann legt er seinen Gästen die Hand auf die Schulter, lacht und weiß immer etwas zu erzählen. Die Portugiesen sind gute Erzähler. Sie erzählen mit Witz, Dramatik und einer feinen Portion Nachdenklichkeit. Manchmal aber steht der Herr Dias, während seine Gäste draußen lachen, allein hinter seiner kleinen Theke zwischen den schönen roten Weinflaschen. Er hat sie alle persönlich ausgesucht und beim Winzer eingekauft. Er hat vorzügliche Weine, wunderbare Sardinen in wunderbaren Konservendosen, wunderbares Olivenöl, lauter wunderbare Dinge, die es nur in Portugal gibt. Sagt Herr Dias. Herr Dias ist sehr von sich und von Portugal überzeugt. Dennnoch steht er manchmal mit einem melancholischen, in die Ferne, vielleicht in die Zukunft oder die Vergangenheit schweifenden Blick zwischen seinen Weinflaschen. Vielleicht, denken die weichherzigeren unter seinen Gästen, die in lauen Sommernächten an den kleinen Tischen sitzen und Wein trinken, hat er Heimweh. Vielleicht möchte er lieber in seiner Muttersprache reden als ständig in diesem Englisch, das weder die Gäste noch er selbst gut genug sprechen, um all die Feinheiten wiederzugeben, die seine Weine von anderen unterscheiden, oder seine Geschichte von anderen Geschichten. »Ich habe diesen Laden nicht, um Geld zu verdienen. Wenn ich Geld verdienen wollte, dann würde ich wieder als Architekt arbeiten. Ich habe genug Geld verdient. Ich mache das, weil ich jemanden zum reden brauche. Weil ich etwas anderes machen wollte.« Viele Gäste haben schon mit ihm über Portugal gesprochen, die Weine, das Öl, die Musik und die Schuhe, die wunderbaren portugiesischen Schuhe. Und wenn die Gäste ein bisschen länger bleiben, dann erzählt er irgendwann auch von seinem Sohn Gonzalo, der ganz plötzlich und unerwartet starb. Und dass dieser Sohn einmal die Idee gehabt hatte, in Berlin eine Galerie und einen Weinladen zu eröffnen. Und dass der Vater diese Idee nun verwirklicht hat. Für den Sohn, und für sich. Um sich abzulenken mit seinen Gästen und den Plaudereien und dem Glas Wein am Abend. Erzählt Herr Dias. Vielleicht wird der Herr Dias eines Tages heimkehren. Oder nach Indonesien fahren. »Die Indonesier sind wunderbare Menschen!« Denn jetzt, wo der Laden eingerichtet und eröffnet ist, werden die Tage manchmal lang. Und wenn es noch früh ist, wenn gar niemand kommt und auf der ganzen Heimstraße kein Mensch zu sehen ist, dann überquert er einfach die Fahrbahn und rettet sich auf Conni Island. Sie hat immer frischen Kuchen, und sie lacht viel und hat immer etwas zu erzählen. Ein bisschen ist es, als käme sie aus dem Süden, aus einem dieser Länder, in dem immer die Sonne scheint. • |