Juli 2013 - Ausgabe 149
Essen, Trinken, Rauchen
Das Pärchen im Primavera von Jochem Burghart |
Kreuzberg, an einem verregneten Abend in einem italienischen Restaurant in der Kreuzbergstraße. Gegenüber, wo an der Ecke einst eine Tankstelle vor sich hingammelte, hat Ziegert ein Öko-Wohnhaus mit Eigentumswohnungen errichtet. Nebenan hat Grönemeyer ein etwas schickeres Gartenlokal eröffnet. Man sollte vermuten, dass sich die Immobilienhändler dort treffen. Doch die sitzen in dem kleinen italienischen Restaurant, wo die Margarita 2,50 und das Wienerschnitzel nur 4,90 kostet. Sie sagt: »Und der aus dem Dritten, den kriegen wir auch raus. Kein Problem. Nächste Woche drehen wir ihm erst mal das Wasser ab.« - Er sagt: »Aber die Käufer wollen die Wohnung jetzt sehen, nicht erst nächsten Monat. Die suchen doch schon nach einem Kindergarten für ihre Brut...« –Sie sagt: »Lass das mein Problem sein. Ich kümmere mich um die.« Der Kellner kommt gerade mit einem vollen Tablett vorüber. Sie hebt kurz die Hand, der Kellner stoppt. »Bringen Sie mir bitte noch ein Mineralwasser! Und eine ordentliche Rechnung.« »Gerne!«, sagt der Kellner, verzieht aber das Gesicht. »Schämen Sie sich nicht?«, sagt der Mann am Nebentisch und schüttelt den Kopf. »Weshalb mischen Sie sich denn hier überhaupt ein?« »Weil ich hier wohne. Seit 35 Jahren. Im Gegensatz zu Ihnen. Außerdem sprechen Sie so laut, dass man Ihren ekelhaften Gesprächen zuhören muss, ob man will oder nicht.« »Wenn es Ihnen zu laut ist, können Sie ja gehen!« »Das hätten Sie wohl gern, dass wir alle gehen.« »Ich würde Sie nicht halten.« »Und ich würde so Leute wie Sie rauswerfen aus Kreuzberg, wenn ich könnte.« »Das ist faschistoid!« »Weil solche wie Sie mich hier vertrieben haben. Ich bin vor drei Monaten ausgezogen aus Kreuzberg.« »Selbst Schuld!«, sagt die Blonde und kramt in der Handtasche. »Für mich sind Sie der Abschaum der Gesellschaft«, sagt der Mann vom Nebentisch. »Sie haben doch keine Ahnung!«, schaltet sich der Herr Immobilienhändler ein. »Berlin braucht Wohnraum, und wir schaffen Wohnraum. Wir sanieren Altbauten, die sonst zusammenfallen würden. Berlin gammelte doch 50 Jahre vor sich hin. Wir räumen jetzt auf. Wir bauen, wo Ihr fünfzig Jahre lang das Unkraut habt wachsen lassen. In ganz Europa gibt es nicht so viele Brachen wie in Berlin. Ihr solltet euch schämen. Aber wir räumen jetzt auf. Und deshalb wollen jetzt auch immer mehr Menschen nach Berlin kommen.« »Ich will nur noch weg!«, sagt der Mann vom Nebentisch, steht auf und geht. • |