Kreuzberger Chronik
Dez. 2013/Jan. 2014 - Ausgabe 154

Strassen, Häuser, Höfe

Die Admiralstraße


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von Werner von Westhafen

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Sie beginnt am alten Kottbusser Tor und reicht im Süden bis zum Landwehrkanal. Doch die kleine Straße hat eine großeGeschichte.


Ganz am Anfang der Straße und ihrer Geschichte, als vor dem Köpenicker Tor noch weite Felder und Gärten lagen, steht im Grünen vor der Stadtmauer ein Gasthaus. In der Linde, die einem Schankwirt namens »Heiter« gehört, kehren die Bauern auf ihrem Heimweg von den Feldern ein, während die Städter den Sonnenuntergang auf dem Land genießen. Im Lauf der Zeit gesellen sich zwei kleine Wohnhäuser, ein Billardhäuschen, ein Tanzsaal und eine Kegelbahn dazu. 1853 spielte sonntags bereits eine Kapelle unter Gaslaternen in der Admiralstraße Nummer Eins.

1865 flankieren erste Wohnhäuser den staubigen Weg, aber die Straße hat weder ein Pflaster noch einen eigenen Namen. Sie heißt schlicht »verlängerte Adalbertstraße« . Da sie allerdings schon damals »sehr frequentiert« ist und »der ganze Verkehr nach der Hasenheide« über das kleine Sträßchen fließt, werden die Haus- und Baustellenbesitzer 1866 aufgefordert, Granitplatten auf die Bürgersteige zu legen. Im selben Jahr erhält die Verlängerung der Adalbertstraße über das alte Stadttor hinaus ihren neuen Namen. Adalbert, der Bruder Wilhelms I., war ein Admiral.

1883 stand das niedrige Gasthaus des heiteren Zapfers schon recht verloren in der Stadtlandschaft, gegenüber ragten die Häuser bereits vier Stockwerke in die Höhe, auf der Straße parkten vornehme Kutschen. Ein vornehmes Viertel aber war es noch nicht. Die Grundstücke waren vergleichsweise günstig, die Bauherren keine begüterten Spekulanten, sondern oft Bauern und Handwerker, die den neuen Baugrund ohnehin besessen oder günstig erstanden hatten. Zum Bauen fehlte vielen das Geld, und oft übten die Kreditgeber einen so hohen Druck aus, dass die Arbeiten in großer Eile und ohne die nötige Sorgfalt durchgeführt werden mussten. In der Admiralstraße Nummer 4 mussten elf Familien kurz nach dem Einzug gleich wieder ausziehen, nur weil das Haus noch viel zu feucht war.

Große Wohnungen für die Herrschaften entstanden hier nicht, eher Ein- oder Zweizimmerwohnungen. Berlin wuchs, aber die Wohnungsnot wuchs auch. Im großen Saalbau der Linde, der zu den eindrucksvollsten im Südosten Berlins gehörte, kamen Ende der Siebziger die Sozialdemokraten zu heimlichen Treffen vor der alten Zollmauer zusammen und beobachteten mit Argwohn, wie die noch unbebauten Grundstücke an der Straße noch immer von Gärtnern bepflanzt wurden. Die Eigentümer spekulierten und warteten darauf, dass die Preise stiegen.


Foto: Postkarte
Ende des 19. Jahrhunderts war es dann endlich soweit. Die Häuser, die jetzt gebaut wurden, trugen Erker und Türmchen, der Stuck wurde immer üppiger. Insbesondere die Grundstücke in der Nähe des Landwehrkanals erfreuten sich großer Beliebtheit, weit ausladende Balkone blickten auf die große Wasserstraße, Touristen wandelten auf den Uferpromenaden. Auch jenseits des Kanals wurde die heutige Grimmstraße allmählich bebaut. Schienen wurden gelegt, die Pferdeeisenbahn passierte auf dem Weg zur Hasenheide die Admiralstraße, später die Linien 3, 5 und 49 »der Elektrischen«. Die hölzerne Klappbrücke, die über den Kanal führte, wurde zur eisernen Admiralbrücke, auf der sich noch heute die Touristen im Sommer zum abendlichen Chillen treffen. Sie ist die älteste Brücke des Landwehrkanals. So wurde die Gegend allmählich zu einem Wohnviertel, auch wenn in den Hinterhöfen weiter gearbeitet wurde. Insbesondere Metallarbeiter fanden sich im Viertel ein: Schlosser, Werkzeugmacher, Dreher, Fräser, Bronzeure, Graveure und einige Gold- und Silberschmiede.

Pünktlich zum neuen Jahrhundert entstand jenseits der Kottbusser Brücke das Kaufhaus Jahndorf, auch im »Admiralstraßenviertel« wurde nun alles größer und stattlicher. In der Blüte der Zwanzigerjahre gab es neben vielen Läden und Modegeschäften sogar einen Radioladen in der nur 40 Hausnummern langen Admiralstraße. Und sie wurde nicht länger, sie wurde kürzer. Denn weil immer mehr Menschen pünktlich zur Arbeit erscheinen mussten, wurden die Hochbahn und die »Unterstraßenbahn« gebaut. Die Ausschachtung des U-Bahntunnels führte dazu, dass die Häuser der Admiralstraße 1 und 2, sowie die gegenüberliegende Nummer 40 abgerissen werden mussten. Alle Versuche, sie abzustützen, waren gescheitert. Auf den Brachen dieser Häuser boten Händler ihre Waren an, nach und nach entstanden, von der Bauaufsicht unbemerkt, 9 Bretterbuden, in denen sich unter anderen eine illegale Gänseschlachterei, ein Schokoladengeschäft, eine Kartoffelpufferbäckerei, ein Fahrradladen und natürlich ein Zigarrenladen verbargen.

1941 verkündete dann der »Völkische Beobachter«, dass der »Schandfleck am Kottbusser Tor verschwunden« sei. »Ein stattliches, sechs Stockwerke hohes Wohnhaus ist entstanden.« Dafür mussten zwei weitere Häuser der Admiralstraße weichen: Die Nummern 38 und 39. Doch auch Hitlers Neubau hielt nicht lange: Am 26. Februar 1945 wurde er bei einem Angriff der Alliierten zum Schuttberg. Auch einige andere Häuser in der Straße wurden derart zerstört, dass sogar Berlins legendäre Trümmerfrauen sie nicht mehr aufbauen konnten.

Wo einst der kleine Gasthof lag, erheben sich heute die Hochhäuser des Neuen Kreuzberger Zentrums. Einige alte Häuser zwischen der Admiralbrücke und dem Kottbusser Tor aber sind geblieben. Sie wurden in den Achtzigerjahren von Hausbesetzern in Genossenschaftseigentum überführt und sind vor Spekulanten sicher. •

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