Kreuzberger Chronik
November 2012 - Ausgabe 142

Essen, Trinken, Rauchen

Kalle im Anno


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von Hans W. Korfmann

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Das Anno 64 passt nicht zur Bergmannstraße. Es passt zur Gneisenaustraße mit ihren Antiquitätenhändlern, dem Buchladen mit seinen zerfledderten Paperbacks und den alten Schallplatten und der schmucklosen Drogerie an der Ecke zur Baerwaldstraße. Das Anno 64 könnte wirklich von 1964 übriggeblieben sein: Der Tresen ist so lang, dass die Müllmänner von ganz Berlin Platz daran hätten, die Wände sind mit schwarzer Farbe angemalt, es riecht nach Zigaretten und Bier, Plakate kleben überall an den Wänden, in der Tür, im Fenster, und sie kündigen die Bands an wie Peter Subway and the Tickets oder The British Beef Club.

Fußballspiele werden übertragen, freitags und samstags legt ein Discjockey auf, und an den Montagen, an denen alle anderen Kneipen kaum Kundschaft haben, weil ihre Kundschaft noch mit dem Wochenendrausch beschäftigt ist, stehen im »Anno« immer noch ein paar über die Gläser gebeugte Gestalten, denn montags ab 21 Uhr ähneln sogar die Bierpreise denen der 60er-Jahre.

Über der kleinen Tanzfläche dreht sich die Diskokugel, im Hinterzimmer stehen Billardtisch und Kicker, drum herum Männer, die noch echte Männer sind und nur in Ausnahmefällen einmal hinschauen zu den jungen und alten Mädchen, die sich auf der Tanzfläche drehen, während Hendrix, Stones und Ten Years After aufspielen. Natürlich kommen echte Bands angereist, bauen auf der kleinen Bühne ihre Anlagen auf, veranstalten einen lautstarken, halbstündigen Soundcheck, um anschließend bei einem Glas Bier am Tresen darauf zu warten, dass es endlich auch so voll wird wie anno 1964, als noch jede kleine, unbekannte Rock-Band ausreichte, um den Laden voll zu kriegen.

Aber die Gäste kommen nie pünktlich ins Anno, sie kommen spät

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