Mai 2012 - Ausgabe 137
Mein liebster Feind
Zehnter Brief von Katja Neumann |
Lieber Herr Frings, natürlicher Weise verteidige ich das von den Männern so genannte »Schwache Geschlecht« - seien es nun den Bachblütentherapien verfallene Frauen der Midlifecrisis oder nette Apothekerinnen. Und es interessiert mich nur wenig, ob das nun die schwer erkämpften Errungenschaften der Emanzipation untergräbt oder nicht – ich war ohnehin nie eine Freundin der lila Latzhosenträgerinnen. Aber Sie schreiben mir, Sie seien ob meines letzten Briefes »erheblich irritiert«. Das, mein lieber Herr Frings, bin ich nun allerdings auch! Vor allem, weil Sie, auf Ihrer ständigen Suche nach Schuldigen, wieder einmal mit schlafwandlerischer Treffsicherheit daneben greifen. Denn es sind ja nicht die Frauen die Bösen, es sind immer die Männer! Die Bachblütentherapie ist das Konstrukt eines Mannes, und der Inhaber Ihrer Lieblingsapotheke mit Ihrer Lieblingsapothekerin ist ebenfalls ein Mann. Er muss zur Zielscheibe Ihres Grolls werden, er führt die Geschäfte und lässt diesen Kram in die Vitrinen räumen, damit am Ende die Kasse stimmt. Vielleicht ist es Ihnen ja entgangen, lieber Herr Frings, dass Ihre Apothekerin längst nicht mehr selbständig ist, sondern nur noch eine vom Besitzer eingesetzte Angestellte. Und dieser Besitzer ist eben keiner, der zum Wohle der Menschheit Medizin verkauft, sondern er ist ein Geschäftsmann, genau so wie all die anderen neuen Café-, Kneipen-, Restaurant- und Imbissbesitzer in der Bergmannstraße. Sie kaufen oder mieten einen Laden in guter Lage, in der Hoffnung, dass möglichst viele Opfer dort hereinspazieren. Ihr Apotheker hat bereits drei Apotheken hier im Kiez gekauft, eine in der Bergmannstraße, eine an der Gneisenaustraße, und eben Ihre Lieblingsapotheke am Mehringdamm. Er spielt Monopoly, er spannt ein Netz, in dem sich eines Tages zwangsläufig auch der Herr Frings mit seinem Schnupfen verfangen muss. Und natürlich kann so ein kleiner Monopolist auch relativ frei über den Preis seines Bachblütenwässerchens entscheiden, über den Sie sich so ärgern. Es mag ja sein, dass Ihre Apothekerin eine Mitschuld trägt, und dass dieses Geschäft ohne die leichtgläubigen Kranken nicht derart florieren könnte. Aber die Größe der Schuld wächst doch in aller Regel mit der Größe des Gewinns. Und deshalb sind Ihre kleine Apothekerin und ihre Kundinnen eher Opfer als die Täter. Sie glauben mir nicht? Dann gehen Sie doch einfach mal ins Ärztehaus. Sehen Sie sich an, wie das kranke Volk hier auf der Suche nach Ärzten durch Gänge und Fahrstuhlschächte irrt, wie viele Praxen schon wieder geschlossen haben. Auch im Hof haben zwei Restaurants wieder aufgegeben, sicheren Gewinn macht nur der Besitzer der Immobilie. Lieber Herr Frings, wann verstehen Sie endlich, dass auch hier nur noch gepokert wird? Ihre Katja Neumann |