März 2012 - Ausgabe 135
Herr D.
Der Herr D. und das Wulffen von Hans W. Korfmann |
Der Herr D. liebte seine Stammkneipe. Er freute sich, wenn man ihn plötzlich nach seiner Meinung fragte: »Na, was sagst Du eigentlich dazu?« Das war so wie damals in der Schule, wenn er gerade von Katja träumte, die an dem Tisch vor ihm saß und die immer diese engen Jeans anhatte, und dann legte ihm der langweilige Biologielehrer die fleischige Hand auf die Schulter und fragte: »Na, weißt Du die Antwort?« Es gab allerdings Fragen, auf die der Herr D. weder damals noch heute eine Antwort wusste. Und weil er ahnte, dass man ihm auch im Heidelberger Krug irgendwann die »W-Frage« stellen würde, weil man in diesem Bildungsverein seit Monaten vom »Wulffen« sprach, wenn jemand sich ein Bier spendieren ließ, mied er sein Stammlokal seit Tagen. Nach drei Wochen aber nahm er wieder am Stammtisch Platz , und kaum saß er, dafragte man: »Und was sagst Du dazu?« »Nichts!«, sagte der Herr D. »Der Typ hat mich schon beim Amtsantritt gelangweilt. Der hat ein Profil wie ein Neuwagenverkäufer.« »Aber das ist der erste entlassene Bundespräsident der BRD...« »Was interessiert mich ein Bundespräsident. Der ist wie ein Bahnchef oder ein Verteidigungsminister. Genau wie der Rest der Bagage, die dafür verantwortlich ist, dass wir keine Jobs haben und ständig bei Udo Zettel machen müssen. Ein Lügner von vielen.« Sagte der Herr D. und verschwand in der Hoffnung auf die Toilette, dass man bei seiner Rückkehr das Thema gewechselt hätte. Als er zurückkam, behauptete Klaus, jeder hier am Tisch hätte so eine Einladung auf die Finca angenommen. »Weil wir es uns nicht leisten können. Wenn ich Knete hätte, würde ich mir ein kleines Hotel suchen, in dem ich meine Abende nicht mit langweiligen Großindustriellen verbringen muss«, sagte Klaus. Der Herr D. dachte, dass man ihn auf seine Prostata ansprechen würde, wenn er schon wieder auf die Toilette gehen würde, und ging zu den Kleiderhaken, an denen die Zeitungen hingen. Alle Überschriften behandelten die W-Frage, bzw. die seines Nachfolgers. Der Herr D. las: »Gesucht: Ein Präsident ohne Freunde.« Klaus fuhr fort: »Aber diese Medienhetze. Alle Zeitungen schrieben das gleiche, wie in der Sowjetunion. Die haben sich an dem festgebissen. Die wollten den fertigmachen. Das war ein Machtkampf.« Der Herr D. hasste diese Gespräche. Weil er am Ende doch wieder seinen Senf dazugeben musste. Er ging zurück zum Zeitungsständer, faltete das Meinungsblatt so zusammen, dass es zwischen den vielen Biergläsern Platz fand, und sagte: »Lest mal die Überschrift! Das ist eine 180-Gradkehre. Erst stürzen sie ihn, und dann bedauern sie, dass ein Präsident nicht mal Freunde haben darf. Ich wette mit Euch, dass bald in allen Blättern Lobeshymnen erscheinen. Und dass Wulff am Ende mit einer Jahresrente von 199.000 Euro in Pension geht.« Sagte der Herr D. und ging, Prostata hin oder her, auf die Toilette. • |