April 2012 - Ausgabe 136
Strassen, Häuser, Höfe
Der Wassertorplatz von Werner von Westhafen |
19 Stadttore befanden sich in der Berliner Akzisemauer. Eines von ihnen war das Wassertor Als Friedrich Wilhelm I. die kaum 50 Jahre alten Mauern der Festung von Berlin-Cölln 1734 wieder einreißen und die Wassergräben zuschütten ließ, entstand an Stelle der steinernen Wehr ein Zaun aus Holzpfählen, um die Soldaten vom Desertieren ab-, und die Kaufleute zum Zahlen von Zöllen anzuhalten. Später verstärkte man den Palisadenzaun und errichtete eine vier Meter hohe Steinmauer. Doch die Stadt wuchs, mehrmals wurde die Zoll- oder Akzisemauer ein Stück weiter nach außen verlegt, am Ende hatte sie eine Länge von 17 Kilometern erreicht. Die Berliner Akzisemauer besaß zuletzt 19 Stadttore, von denen nur eines erhalten blieb: das Brandenburger Tor. Meist schon vergessen sind das Neue Thor, das Hamburger Thor oder das Königsthor, nur in der alten Luisenstadt erinnern immerhin noch einige Plätze und U-Bahnstationen an die alten Stadttore und Zollstationen: das Schlesische Tor, das Cottbusser Tor, das Hallesche Tor und das Wassertor. Die meisten wurden dort errichtet, wo auch zuvor Wege aus dem Umland in die Stadt geführt hatten. Das so genannte Wassertor allerdings entstand erst beim Bau des Luisenstädtischen Kanals, der vom Landwehrkanal durch das Zentrum der Luisenstadt zur Spree führen sollte. Der Bau dieses Wassertors war nicht einfach, und er verzögerte die Fertigstellung des Großprojektes um nahezu zwei Jahre. Das Hindernis stellte sich den Planern des neuen Schiffsweges gleich auf den ersten Metern in den Weg: Noch in Sichtweite des Urbanhafens, von dem der neue Kanal im rechten Winkel abbog (vgl. Kreuzberger Chronik, September 2008), befand sich die Stadtmauer. Das Tor, das hier entstehen sollte, um die Schiffe durchzulassen, musste 109 Fuß breit werden. Zudem führte entlang der Mauer die Cottbusser Communication, eine noch ungepflasterte, aber wichtige Verbindungsstraße zwischen Schlesischem und Cottbusser Tor: Es ist die heutige Skalitzer Straße. Für sie musste eine weitere Brücke über den Kanal gebaut werden. Hinzu kamen die geplanten Uferstraßen, die den Kanal flankierten und wiederum unter dieser neuen Brücke und durch die Mauer hindurch geführt werden mussten. Zu guter Letzt kam ein Jahr vor der geplanten Eröffnung des Kanals noch eine Eisenbahnverbindung hinzu, die den Anhalter mit dem Potsdamer Bahnhof verband, und die sich ebenfalls in groben Zügen am Verlauf der alten Mauer orientierte und an dieser Stelle den Kanal überqueren musste. Doch es waren nicht allein die Brücken und Tunnel, die am Wassertor entstehen mussten. Um die Schiffer abzufertigen, Waren zu wiegen und Zoll zu kassieren, war ein weiteres Hafenbecken nötig. Es mussten Unterkünfte für die Zöllner, Ämter, Lagerräume und ein Steuerhaus für die hölzerne Drehbrücke und zum Öffnen und Schließen der eisernen Pforten gebaut werden. Die Sache war derart kompliziert, dass man ernsthaft darüber nachdachte, die Mauer zwischen dem Foto: Postkarte
Der Kanal sollte eine Art Prachtstraße sein, flankiert von Promenaden und Gartenanlagen. Am Wassertor schuf Gartenbaudirektor Mächtig den Wassertorplatz. Er blieb nur wenige Jahre, dann kamen Siemens und Halske und durchkreuzten mit einer Hochbahn die Anlagen am Wassertor, welche auch wieder dem Verlauf der alten Stadtmauer folgen wollte. Ohnmächtig musste Mächtig zusehen, wie seine vor wenigen Jahren entstandenen grünen Anlagen wieder zerstört wurden, um den eisernen Pfeilern einer Bahntrasse Platz zu machen. Fünfzig Jahre später hatte sich vieles verändert. Die Mauer war endgültig gefallen, das Wassertor gab es nicht mehr. Die Communication hieß jetzt Skalitzer Straße und trug ein glänzendes Kopfsteinpflaster, und über die Brücken fuhren längst keine Fuhrwerke und Pferdebahnen mehr, sondern Straßenbahnen und Automobile. Lediglich die alte Drehbrücke der Verbindungsbahn zwischen Anhalter und Potsdamer Bahnhof war noch in Betrieb und diente der »Kohlenbahn«, die Brennstoff für die Gasanstalt am Urbanhafen lieferte. 1926 wurde sogar der Kanal, den 5.000 Arbeiter in vier Jahren ausgehoben hatten, wieder zugeschüttet. Geblieben ist von all den Wasserspielen nur noch das Engelbecken. Auch der kleine Hafen am Wassertor, aus dem zuerst ein Schwimmbecken mit Kinderspielplatz werden sollte, wird am Ende märkischem Sand aufgefüllt und zum größten Sandkasten Berlins. Der Kanal mit seinen Uferpromenaden wird zu einem Grünstreifen, der sich bis zu den Zerstörungen des 2. Weltkrieges großer Beliebtheit erfreut. Nach dem zweiten Krieg verödet auch dieser, und der nördliche Teil wird zum Todesstreifen zwischen Ost und West. Der Traum von der prachtvollen Kanalstadt war endgültig ausgeträumt.• |