Juli 2011 - Ausgabe 129
Essen, Trinken, Rauchen
Im Matzbach von Michael Unfried |
Der Navigator an der Lenkstange des Fahrrades sagte »Stopp«. »Hier muss es irgendwo sein!«, sagte der Mann zu seiner Frau, zog den Fahrradhelm vom Kopf, schloss die identischblauen Räder zusammen und betrachtete ratlos die vielen Tische und Stühle vor der Markthalle. »Eine Imbisskneipe neben der anderen! Welches davon ist denn jetzt das Motzbach?« Die Frau setzte sich auf die Bank neben der Uhr, klappte das Laptop auf und googelte. »Das Fähnchen ist da, gleich an der Ecke Zossener Straße. Badisch-elsässische Küche, Sonnenterrasse mit 100 Plätzen, Doppelzimmer 75 Euro.« Die Radfahrer liefen die Zossener Straße entlang, aber das Restaurant war nicht da, wo das Fähnchen war. Noch einmal klappte die Radlerin ihren Computer auf. »Wir stehen genau beim Fähnchen, aber hier ist nur dieser blöde Supermarkt.« Da näherte sich ein freundlicher, alter Herr mit Sandalen, weißen Socken und einer ausgeleierten Plastiktasche voller Einkäufe. »Wo möchten Sie denn hin?« »Zum Hotel-Restaurant Motzbach!« »Das muss das da hinten sein, auf der anderen Seite. Früher hieß das noch Gasthaus Friedrich Hertz. Da gab‘s Schnitzel mit Pommes und Salat für 7 Mark. Da konnte man satt werden. Der Wirt war son Dicker, der immer die Kinder verscheuchte. Aber was da jetzt ist, dat weeß ick nich! Das ändert sich hier ja alles laufend.« Die Radler liefen einmal um die halbe Halle herum und wählten einen Sitzplatz unter einem Sonnenschirm neben der Palme. Kaum hatten ihre Hinterteile die Sitze berührt, stand auch schon der Kellner am Tisch. Er lächelte routiniert, deutete eine Verbeugung an und sprach, die Hand auf den Rücken gelegt: »Was darf‘s sein, die Herrschaften. Nur etwas zu trinken, oder darf‘s auch etwas zu essen sein?« »Ein Radler bitte!«, sagte der Radler. »Und ein Mineralwasser«, sagte die Radlerin. Dann klappte sie ihren Computer auf und las, was andere Gäste des Restaurants ins Internet geschrieben hatten: »Spannend und lecker: Kürbisspätzle. Auch die Maultaschen waren schmackhaft.« Und die Wiener Schnitzel kosteten jetzt zwar 15 Euro und nicht mehr 7 Mark, aber dafür seien es eben »echte Kalbsschnitzel.« Die Radler bestellten, vier Minuten später hatten sie die Schnitzel auf dem Tisch, aßen, tranken und winkten nach dem Kellner. Doch als der Kellner am Ende fragte, wie es geschmeckt habe, verzog die Radlerin nur den Mund. Der Kellner wartete einen Moment ab, dann zeigte er sich beleidigt: »Sie können auch mit mir reden.« Da öffnete die Radlerin ihr Laptop und las: »Wenn man in einem Restaurant in Berlin mit so hohen Preisen zum Mittagessen geht, könnte man eigentlich erwarten, dass der Service hochwertig ist. Leider ist das nicht der Fall.« • |