Oktober 2010 - Ausgabe 121
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Kreuzberger Buchläden (1): Die Leidenschaft der Hammets von Hans W. Korfmann |
Hammett ist mehr als nur ein Buchladen mit einem Faible für Krimis. Hammett ist ein Kulturbeitrag. Die Hammetts sind Überzeugungstäter. »Wenn ich eine Autorenlesung veranstalte«, sagt der Chef des Hammetts, »dann, weil ich den Autor wirklich schätze.« Wo so ein Autor auf den Bestsellerlisten rangiert, interessiert Christian Koch nicht. Es macht ihm nichts aus, einen Schriftsteller eigens aus Mailand einzufliegen, der gerade mal 600 Bücher verkauft hat. Obwohl das, wenn dann nur 25 Zuhörer ins Kaffee Burger kommen, natürlich ein Minus-Geschäft ist. »Aber bei Lesungen zahlt man immer drauf!« Zumal Koch für seine Veranstaltungen auch noch die Räume anmieten muss: Sein Laden in der Friesenstraße hat höchstens 40 Quadratmeter. Und er ist randvoll mit Schauerromanen, die vom »Tod in Venedig«, vom »Tod in Philadelphia« oder vom »Tod in Verona« erzählen; voller sensationslüsterner Titel wie »Die gefrorene Charlotte« oder »Das Baby im Eisschrank«; oder voller altmodischer Überschriften wie »Der schwarze Panther«, »Das siebte Opfer« oder »Das Gold der alten Dame«. Und voller wunderbarer Bücher wie dem Mann, der den Zügen nachsah, oder dem »heiligen Eddy« von Jakob Arjouni. Es sieht aus, als gebe es keinen Krimi, den es bei Hammett nicht gäbe. Und den Koch nicht kennte. Weshalb die Lesehungrigen schon um zehn bei ihm auf der Schwelle stehen, als ginge es ums morgendliche Croissant. Viele kommen aus dem Viertel, andere sind eingefleischte Krimi- oder Hammettfans. »Ich fahre Dienstag für eine Woche nach Italien. Haben Sie einen Krimi, der in Rom spielt?« Den hat Hammett. »Ich würde gern was von Robert Wilson lesen, aber den kenne ich gar nicht.« Koch kennt ihn. Er nennt alle sechs Titel und empfiehlt den »Tod in Lissabon«, »das ist mindestens der Zweitbeste, und den können Sie auch lesen, ohne die anderen Bücher von ihm zu kennen.« -»Sagen Sie, wie funktioniert das eigentlich mit diesem Revolver im Kreuzworträtsel«, fragt einer, der ganz aufgeregt plötzlich mitten im Laden steht. »Ich mach das Rätsel zum ersten Mal, ich »Hammett ist eben ein echter Kiezladen«, sagt Koch, »auch wenn ich keine Wurst und keinen Wein verkaufe. Die Leute kommen trotzdem. Ich bestelle auch jedes Buch, auch eins, das man nicht beim Großhändler anfordern kann, wo man sich an den Verlag direkt wenden muss.« Das unterscheidet Hammett von Amazon und Hugendubel. Da kennt man nur noch Titel und Zahlen. Die Hammetts kennen ihre Leser. Und die Leser kennen ihre Hammetts: Christian Koch, Karsten Weinert und Heinz Scheffelmeier, drei verschworene Krimispezialisten, Rezensenten, Leseberater. Was immer sie machen, es hat Format. Wenn Hammett sein Schaufenster neu gestaltet, bleiben die Leute stehen. Und schauen. »Weil ein Schaufenster ein Fenster zum Schauen ist«, sagt Koch, »da muss man was entdecken können.« Wie im Krimi. Zur Fußballweltmeisterschaft hatten die Hammetts ein Fußballfeld voller kleiner Tierfiguren, die Guten spielten gegen die Schlechten, Haifische und Geier gegen Häschen und Katzen. Und an der Bande des Spielfeldrandes klebten nicht die Banner von Nike und Adidas, sondern die Logos von Kiezgrößen wie Bacco, Felix Austria oder Spacehall. An all das hatte Koch nie gedacht, als er in den 90ern nach Berlin kam und eines Tages im Laden seiner ehemaligen Schulkollegin stand. »Das ist ja ein Wahnsinn!«, dachte er, »Ein Geschäft voller Krimis!«. Irgendwann fing er an, im Laden mit den Büchern auszuhelfen, und als Claudia Denker 1999 aufhörte, hat er weitergemacht. Die Entscheidung war nicht die schlechteste, Hammett hat kaum Konkurrenz. Drei Krimibuchhandlungen gibt es in Berlin, elf deutschlandweit. Und Krimileser wie Sand am Meer. Doch das Geschäft ist nur das eine. Leidenschaft ist das andere. Koch liest Krimis wie verrückt. Koch ist ein Überzeugungstäter. Und wenn Koch eine Autorenlesung sponsert, dann kümmern ihn keine Bestsellerlisten. Und dann macht er auch vor Bestsellerautoren keinen Halt. So war er der einzige Buchhändler in ganz Deutschland, der anlässlich einer Lesetour des Starautors Michael Connelly eine Veranstaltung aus eigener Tasche finanzierte. Das machte den Amerikaner neugierig, eines Tages stand er mit zwei schicken Verlagsfrauen vor dem kleinen Schaufenster in der Friesenstraße. Während die weibliche Begleitung ratlos vor Hammetts Dekoration stand, war der Autor gerührt, als er im Schaufenster 15 Szenen aus seinen fünfzehn Romanen nachgestellt sah. Auch der Kojote aus seinem letzten Buch war da, und die ganzen Jazzplatten, die Connellys Protagonist immer hörte. Wochen später erhielt die kleine Buchhandlung als Dankeschön ein Paket aus L.A. - mit lauter Jazz-CDs und dem Buch eines sogar Christian Koch noch unbekannten Autoren. • |