Kreuzberger Chronik
März 2010 - Ausgabe 115

Strassen, Häuser, Höfe

Der Diener aus der Albrechtstraße


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von Werner von Westhafen

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Am Anfang stopfte er Albrechts Pfeife. Später zog er mit ihm in den Krieg.
Am Ende war er der Silberverwalter im Palais des Prinzen Albrecht<


Als im März 1848 der Zorn die Berliner auf die Barrikaden und gegen die Schlösser trieb, war auch das herrschaftliche Palais des Prinzen Albrecht in der Wilhelmstraße den Aufständischen ein Dorn im Auge. In der Nacht zum 19. März drangen sie bis in den Hof des Palais ein, der Prinz selbst soll sich ihnen in den Weg gestellt haben. Ob der Kammermohr, der stets an Albrechts Seite war, die Szene von seinem Dachzimmer aus beobachtete, oder ob er seinem Herrn auch in diesem Moment zur Seite stand, hat Karl August Varnhagen von Ense nicht beschrieben.

Sicher ist, dass der schwarze Diener oft sein Leben für den Prinzen riskierte. Er zog mit ihm in den Krieg gegen Dänemark und kämpfte im Kaukasus neben dem Prinzen gegen die Tscherkessen. Als die Kutsche einen Abhang hinunterstürzte, gaben sie nicht auf, bis Prinz Albrecht vom Zaren den St. Georgs-Orden verliehen bekam. August erhielt ein persönlicheres Geschenk: die goldene Uhr der Zarin.

Die dunkelhäutigen Exoten, die von den Handels- und Forschungsreisenden des 18. Jahrhunderts als exklusive Souvenirs mitgebracht wurden, genossen in Preußen mehr als nur die Aufmerksamkeit der Damenwelt. Seit der Gründung von Groß Friedrichsburg im fernen Ghana waren die schwarzen Kammerdiener ein ähnliches Statussymbol wie heute die schwarzen Limousinen. Auch der Ägyptologe Richard Lepsius hatte sich seinen Lakaien mitgebracht, und der exzentrische Fürst Pückler setzte seiner ebenholzfarbenen Geliebten sogar ein Denkmal in Form einer Pyramide. Die Mohren dienten der Zierde des Hauses und waren die Attraktion beim Kaffeeklatsch. Viele von ihnen allerdings vertrugen das preußische Klima nicht und gingen an fremden Krankheiten zugrunde.

Prinz Albrechts Souvenir jedoch schien sich im künftigen Einwanderungsbezirk wohl zu fühlen. Er besuchte die Schule und wurde mit 16 in der Jerusalemkirche auf den Namen August Albrecht Sabac el Cher getauft. Die christlichen Vornamen wurden ihm ebenso angedichtet wie das elegant klingende Sabac el Cher, was nichts weiter war als die Begrüßung, mit der der Prinz seinen schwarzen Diener eines Morgens empfangen haben musste: »Sabac el Cher - guten Morgen!«

So wenig über den wahren Namen des Dieners bekannt ist, so wenig wusste man über seine Herkunft. In der Taufurkunde trug man Kordofan als Geburtsort ein, eine Provinz im heutigen Sudan. Doch die Geschichten, die sich um seine Herkunft rankten, waren widersprüchlich. Auch wie er zu Prinz Albrecht kam, ist ungewiss. Lediglich ein Eintrag im Reisetagebuch eines der Forschungsreisenden, mit denen
Der kleine Mohr bem Stopfen der Pfeife in Chan Junish Foto: Postkarte
der Prinz 1834 aufbrach, legt nahe, dass der Lakai nicht auf dem Markt gekauft wurde, sondern ein Geschenk war. In dem Dokument ist die Rede von einem »kleinen schwarzen nubischen Jungen, den der Prinz von einem Gouverneur oberhalb zum Geschenk erhalten hatte.«

Der besagte »Gouverneur« könnte Mehmed Ali Pascha gewesen sein, der berühmt-berüchtigte Vizekönig von Ägypten, der den preußischen Prinzen in Kairo empfangen haben soll. Ein mythenumwobener Mann, der 220 Mamelucken zum Essen in den Palast lud, um sie noch während des Festmahls erstechen zu lassen, jedoch ein gebildeter Europäer war, der die Schulpflicht einführte und vom Suezkanal träumte. Fürst Pückler beschrieb ihn als »einen kleinen, freundlichen Greis..., dessen Gesichtszüge ebensoviel ruhige Würde als wohlwollende Gutmütigkeit ausstrahlten.« Vielleicht war es diese Gutmütigkeit, der Prinz Albrecht ein wertvolles Abschiedsgeschenk des Paschas zu verdanken hatte: einen kleinen, schwarzen Sklaven.

Doch all das sind Spekulationen. Sicher ist, dass »Guten Morgen« den Prinzen auf seinen Expeditionen in die Wüste und zu den Pyramiden begleitete. Eine Zeichnung im Tagebuch zeigt die Rast der Expedition bei Chan Junish am 24. April 1834. Zu Füßen des Prinzen sitzt ein kleiner Diener und stopft die lange Pfeife seines Herrn. Glaubt man den Aufzeichnungen von de Lesseps, dem Erbauer des Suezkanals, der begeistert vom Oberpfeifenstopfer mit vier Untergebenen schrieb, war das Stopfen der Pfeifen eine ehrenhafte Tätigkeit.

Die Kreuzberger berichteten nicht so begeistert. Die Reise den Nil stromaufwärts sei »weniger schön als erwartet«, die Städte solle man sich besser aus der Ferne ansehen, auch die Spuren habgieriger Grabplünderungen enttäuschten sie: »Vor den Eingängen liegen eine Menge auseinandergerissener Mumien und halber Leichname. Es macht unserem Jahrhundert keine Ehre, daß diese Leichen, welche Jahrtausende lang friedlich geruht... jetzt so entheiligt werden«.

So kritisch sie die Grabschändung betrachteten, so wenig verzichteten sie doch auf das glänzende Souvenir in Pluderhosen. Der kleine August kam nach Berlin und wurde Oberster Silberverwalter am Hof. Auch im Privatleben fand der Junge aus der Wüste sein Glück in Berlin. Er heiratete 1867 ausgerechnet in einer Kirche in der Mohrenstraße Anna Maria Jung, eine Frau aus gutem Hause, die im 6. Monat schwanger war. Ägypten hat er nie wieder gesehen. Auch sonst reiste er wenig. Vom Palais zog der Kammerdiener mit seiner Frau zunächst in die Baruther Straße Nr. 11, drei Jahre später in die Bergmannstraße Nr. 10, wo 1868 Gustav Sabac el Cher geboren wurde.•


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