Kreuzberger Chronik
Oktober 2009 - Ausgabe 111

Briefwechsel

Der schiefe Turm von Kreuzberg


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von Monika Hermann

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Monika Herrmann, Stadträtin für Jugend, Familie und Schule, schreibt zur Reportage über das Jugendzentrum im Wasserturm in der Ausgabe Nr. 110

»Der schiefe Turm von Kreuzberg«, das ist kein schlechtes Bild. Es steht für die Schieflage, in der sich das Land Berlin befindet. Die Schieflage resultiert daraus, dass die Bezirke keine eigenständigen Kommunen sind, sondern am Tropf der Landesregierung hängen. Das haben sie in den letzten Jahren bitter zu spüren bekommen: Tausende von Stellen sind in den Bezirksverwaltungen abgebaut worden, Millionen euro Transfermittel wurden gestrichen, auch der Gebäudebestand soll jetzt auf ein Minimum zu reduziert werden.
Es ist eine gefährliche Schieflage. Müssen doch gerade die Bezirke ausreichend mit Personal und Kapital ausgestattet sein. Hier leben die Menschen, hier muss die Infrastruktur stimmen. Erst dann kann die Landesregierung Mittel für übergeordnete Aufgaben in Anspruch nehmen. Als ein Beispiel sei hier die Zentral-Bibliothek des regierenden Bürgermeisters genannt: Das Prestigeprojekt schlägt mit 300 Millionen euro zu Buche, während wir im Bezirk unsere 4 kleinen Kiezbibliotheken kaum am Leben halten können.
Deshalb ist die weit verbreitete Behauptung, wir würden für unsere Kinder sparen, eine ärgerliche Lüge. Denn was sparen wir für die Zukunft der Kinder, wenn es den Kitas an Personal mangelt? Und was sparen wir für die Kinder, wenn wir gerade den präventiven Teil jener Angebote, der die Familien vor Armut und schwierigen Lebenssituationen schützen soll, so stark unterfinanzieren, dass sie schon wieder nutzlos sind.
Das Land Berlin ist auf einem Kurs, der nicht FÜR die Zukunft unserer Kinder spart, sondern AUF KOSTEN unserer Kinder. Solange die Landesregierung die Ausgaben der Bezirke und die Ausgaben im sozialen Sektor Jahr um Jahr reduziert, solange häuft das Land Berlin auch Schulden für die Zukunft auf. Friedrichshain-Kreuzberg hat immerhin eine Million Euro für Familien fördernde Maßnahmen zur Verfügung gestellt und steht damit an erster Stelle aller Berliner Bezirke. Wir werden zudem 3,8 Millionen für Kinder- und Jugendarbeit ausgeben, und 30 Millionen für so genannte »Hilfen zur erziehung«. Und der »Reperaturbetrieb« Jugendamt wird von Jahr zu Jahr teurer. Dennoch sind alle Bemühungen, auf Landesebene eine finanzielle Stärkung dieser präventiven Angebote zu erreichen, bisher gescheitert.
Die Bezirksverordnetenversammlung und auch ein großer Teil der Bevölkerung wollen das nicht weiter akzeptieren. Wir können aber nur Bewegung in die Landespolitik bringen, wenn wir das gemeinsam, laut und öffentlich den Berliner Abgeordneten immer wieder deutlich machen. Berlin ist kein Phantom, es besteht aus real existierenden Bezirken. Und wenn die Bezirke schwächeln, dann kriselt es auch im Land. Deshalb brauchen wir starke Bezirke. Und deshalb müssen die Bezirke auch in der Landesregierung oberste Priorität haben. •


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