Kreuzberger Chronik
Juni 2009 - Ausgabe 108

Literatur

Der heilige Eddy


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von Jakob Arjouni

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Das Hütchenspiel

»JA, EIN Sofa, Dreisitzer, irgendwas Italienisches, (…) Wir sind ´ne Kinofilmproduktion und schmeißen heute Abend ´ne wichtige Party. Dabei sollen Verträge unterschrieben werden, richtig fette Dinger, wenn Sie verstehen, was ich meine. Einen Nägel-mit-Köpfen-Abend nenn ich das immer. Sie haben doch sicher mitgekriegt, dass Brad Pitt und Angelina Jolie in der Stadt sind? … Ja, genau, stand in der Zeitung. Na, und da können Sie sich wohl denken, dass die nicht mit´ m Arsch auf´ m Boden hocken wollen…« Eddy lachte. »…Nee, da hätte ich auch nichts dagegen. Und dann schön den Schaukelstuhl machen, ne? Hä-hä. Aber ob Brad das in Ordnung finden würde... Nee, nee, total hetero. Also, Herr Savicevic, wann kann ich denn mit dem Sofa rechnen? … Ich nehm ´s auch unverpackt, und selbst wenn ´s an den Füßen ´n paar Kratzer hat
– wir machen hier lichtmäßig eh alles mit Kerzen, das sieht keiner. Nur kleine Flecken. Wissen Sie, was Angelina gestern zu mir gesagt hat? Das bleibt aber unter uns. Sie hasse Flecken, bis auf den – wie hat sie ihn genannt? Den Lustflecken! The pleasure spot! … Ja, genau! Können Sie sich das vorstellen? Angelina Jolie? Auch wenn sie dann hinzugefügt hat, es müsse die Hose ihres Mannes sein, aber na ja… Bitte?… Ah, verstehe. Na klar geht das. Dann sollten Sie das Sofa aber spätestens zwanzig vor acht vorbeibringen. Da checkt Angelina das kalte Büffet wegen Cholesteringehalt und ob alles Bio ist und so – Amerikanerin eben. Und wenn es bei solchen Stars heißt, halb bis zwanzig vor, dann bedeutet das keine Minute früher oder später. Nicht, dass Sie sie dann gerade um´n paar Sekunden verpassen… Ja, sagen Sie schnell… Modell Madagascar, hellbrauner Bezug – klingt doch prima. Wie lang? Zweizwanzig? … Wunderbar. Dann laden Sie das Ding doch gleich auf und kommen her…«
Eddy nannte seine Adresse, dritter Stock, Hinterhaus, und Herrn Savicevics kurzes Zögern überraschte ihn nicht. In bemüht neutralem Ton fragte der Verkaufsleiter des Möbelgeschäfts `Wohnen mit Spaß´ in Steglitz, ob er richtig verstanden habe, Wartenburgstraße in Kreuzberg 61?
»Sie denken, ist ´ne komische Adresse für ´ne Filmproduktion unserer Kategorie, was? Ist nur vorübergehend, ´ne Dependance, wenn man so will. Darum haben wir ja auch nicht genug Möbel. Eigentlich sitzen wir in den Hackeschen Höfen, und ehrlich gesagt ist es in Kreuzberg von den Rahmenbedingungen her nicht einfach für uns: Die Limousinen passen nicht durch die Einfahrt, keine vernünftige Cocktailbar weit und breit, und überall wohnen Lehrer und Kindergärtnerinnen, und wenn man da nach elf noch einen draufmachen möchte…. Aber gut, Angelina und Brad wollten unbedingt das Kreuzberg-Feeling, und nach 36 konnten wir nun wirklich nicht gehen. Ich meine, nachher stürzt sich noch irgend so ´n Fixerpunk oder ´ne Türkengang auf Angelina – das wär dann wohl ´n bisschen viel Kreuzberg-Feeling, was?« •

Entnommen aus: Jakob Arjouni, »Der heilige Eddy«, Diogenes 2009, ISBN 978-3-257-06685-2, Preis: 18,90 Euro

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