Februar 2009 - Ausgabe 104
Geschäfte
Der Biologische Supermarkt von Michael Unfried |
IN DEN SIBZIGERN GINGEN DIE ERSTEN LANGHAARIGEN STÄDTER AUFS LAND ZURÜCK. HEUTE GIBT ES BIOSUPERMÄRKTE ES WAREN einmal zwei Frauen, die betrieben einen kleinen Lebensmittelladen in einem der vielen Souterrains in der Gneisenaustraße. Sie nannten sich »Natürlich Naturkost« und verkauften drei Stufen unter dem Trottoir Milch, Brot, Butter, Käse, etwas Wurst und ein paar Steigen verschrumpeltes Gemüse. Es war ein bisschen teurer als in den Supermärkten, obwohl die Salate und die Gurken nicht annähernd so grün aussahen wie in den beleuchteten Regalen der Konkurrenz. Aber sie schmeckten. Auch in der Heimstraße gab es bis vor kurzem einen kleinen Laden mit Naturkost. Wer die Tür öffnete, der wechselte Zeit und Raum. Jeder Einkauf in dem schmalen Laden mit seiner kleinen Keks-und Gebäckvitrine war ein olfaktorisches Erlebnis. Es roch nach Brot und Weizen, Gewürzen, frischem Obst und Gemüse und nach den alten, mit Bienenwachs gebohnerten Dielen des Fußbodens. Es hat Jahre gedauert, bis die flüchtige Wolke von Wohlgerüchen endlich zwischen den Regalbrettern hängen blieb, und bis es in dem kleinen Bioladen ein bisschen so roch wie in den Milchgeschäften und Bäckereien, in den Gemischtwarenläden und Kolonialwarengeschäften der Nachkriegsjahre. Beide Kreuzberger Läden gehörten zu den ersten, die eine Marktlücke aufstöberten und den Zeiten der Industrialisierung der Landwirtschaft und der von Pestiziden verseuchten Felder »zurück zur Natur« wollten. Die neuen Biosophen retteten einerseits die schon bald viel zitierten »Tante Emma Läden«, und sie schufen andererseits ein allmählich wachsendes Bewusstsein für eine gesunde Ernährung. Doch die vereinzelten und weit versprengten Gründer der Biobewegung wurden allseits belächelt. Bis heute feiert niemand die Gründer. Dafür brüsten sich nun einige Lebensmittelkonzerne, die mit dreißigjähriger Verspätung Bioprodukte in einige Ecken ihrer Regale stellten, als Pioniere. In der Nähe des kleinen Bioladens in der Heimstraße hat nun ein Bio-Supermarkt eröffnet. Mit weiß leuchtenden Lettern auf schwarzem Hintergrund vermittelt das Logo der Bio Company Luxus und Stil. Mit dem leuchtend grünen Rasen, den die Company auf ihre Schaufensterscheiben klebt, lockt sie ihre Käufer so erfolgreich an wie das Licht die Motten, und die Obst- und Gemüsehändler in der Markthalle, die erst kürzlich ihre Bioabteilungen eingerichtet haben und neben riesigen »Golden Delicious« aus Virginia nun auch verschrumpelte Äpfel aus Brandenburg anbieten, schielen argwöhnisch zur anderen Straßenseite. Erspartes alteingesessener Markthallenhändler und Steuergelder in Millionenhöhe sind in die neue Konzeption der Marheineke-Halle geflossen, und »Bio« sollte das Zauberwort sein. Doch wer Bio will, der wechselt nun die Straßenseite. Die Bio Company-Filiale in der Bergmannstraße ist die 13. in Berlin und neben der Dependance in der Skalitzer Straße die 2. in Kreuzberg. Sie ist im Herzen des Bergmannkiezes mit seinem alternativen Publikum treffsicher Foto: Michael Hughes
Mit den Pionieren der Bewegung hat die Bio Company freilich nichts zu tun. Erst vor zehn Jahren sattelte der traditionelle Gemüsehändler auf Bio-Produkte um. Vielleicht unterscheidet sich die Einrichtung deshalb auch kaum noch von den üblichen Supermärkten oder von der Kaiserapotheke nebenan. Mit viel Neonlicht, hellen Böden und klaren Strukturen der einzelnen Abteilungen und Regale suggeriert das Unternehmen Perfektion und Sauberkeit. Die Brottheke gleich am Eingang ist so groß wie bei Kaisers, auch das Angebot in der hell erleuchteten Käsetheke kommt nicht mehr vom kleinen Ziegenhof aus Brandenburg. Hermetisch eingeschweißt in Plaste und Elaste, entströmt dem Käse keine noch so kleine Duftprobe. Nebenan hat die Company für den Feinschmecker den biologischen Wein platziert, schön dekoriert und übersichtlich sortiert nach Ländern wie bei Karstadt. Und mit Sonderangeboten wie dem spanischen »Camino Tinto« für 2.95. Wie bei Aldi. Auch im vermeintlichen Herzen des Biogeschäftes, in der Getreide und Müsliabteilung, setzt der Händler auf Quantität: Couscous, Polenta, Gries, Bulgur, Weizen, Gerste, Dinkel – alles, was geschrotet und gemahlen werden kann, ist vertreten. Daneben stehen – für jene, denen das Schroten und sogar das Mischen zu viel Arbeit ist, die fertigen Biobackmischungen: Bauernbrot, Vitalbrot oder 6-Kornbrot, sowie Dinkel-Muffins und Dinkel-Streuselkuchen. Mit getrockneter Biobutter. Im gegenüber liegenden Regal leuchten die Aufstriche, Biomarmeladen und Honigsorten in allen Farben. Doch so richtig klebrig ist keiner von ihnen, selbst der schwere Tannen- und Waldhonig ist so flüssig wie Langnese. Vorbei an kleinen Stapeln mit Konservendosen, leichenblassem, in Plastik geschweißtem Schweine-, Puten- oder Lammfleisch, vorbei an eingeschweißten Tortellini, Pasta, Gnocchi und Leberwürsten, vorbei an Bio-windeln und Biotoilettenpapier geht es zur elektronischen Biokasse mit ihrem Bio-Süßkram für die kleinen Biomenschen. Bezahlt allerdings wird nicht mit Biomünzen, sondern knallhartem Euro. In der Heimstraße gab es einmal ein Geschäft, in dem es ganz wunderbar roch. Der kleine Laden mit dem Namen Mandala und dem berühmten Yin und Yang-Logo, der noch im Jahr 2008 an die Siebzigerjahre und den Weg zurück zur Natur erinnerte, war der letzte seiner Art. In den Bio-Regalen der biologischen Supermärkte duftet nichts mehr. Nicht einmal der Käse. • |